Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 627

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-6/seite/627

Es wäre sehr interessant zu erfahren, wie viel Mitglieder dieses „freisinnigen Schutzes“ in dem Ressort der Polizei angestellt sind.

Judenmetzeleien

Petersburg, 3. November. Die offiziöse „Petersburger Telegraphen-Agentur“ meldet: Einem Telegramm aus Tomsk zufolge griffen dort heute Trupps von Anhängern der terroristischen Partei eine Versammlung der Liberalen an. Diese flüchteten sich in das Eisenbahnverwaltungsgebäude. Auf beiden Seiten wurde gefeuert. Als im Laufe des Abends Feuer an dieses Gebäude gelegt wurde, erhielt ein Bataillon den Befehl, anzugreifen, wobei zahlreiche Personen verwundet wurden. Auch im Theater wurden Verwüstungen angerichtet.

In Batumi kam es heute zu einen Zusammenstoß zwischen den Manifestanten und dem Militär, wobei Personen getötet und verwundet wurden.

In Moskau erließ heute der Gouverneur eine Bekanntmachung, in der er die Bevölkerung ermahnt, die Kundgebungen einzustellen und den gewohnten Lebensgang wieder aufzunehmen, damit sie die Früchte des neuen Erlasses genießen könne.

Das gefährdete reichsdeutsche Eigentum!

Frankfurt a. M., 4. November. Angesichts der Unruhen der letzten Tage in Odessa, Rostow und anderen russischen Städten, bei denen auch Leben und Eigentum deutscher Reichsangehöriger bedroht worden ist, hat die Reichsregierung, wie verlautet, mit der russischen Regierung sich in Verbindung gesetzt, um einen besonderen Schutz der Reichszugehörigen zu erreichen. Dasselbe ist auch geschehen, als die Kämpfe in Batumi tobten. („Frankf. Ztg.“)

Natürlich! Zum Schutze des bedrohten „Eigentums“ der reichsdeutschen Kaufleute und anderer Bourgeois rührt sich die Reichsregierung etwas eifriger, als wo es sich um das Leben eines edlen Revolutionärs und Proletariers wie Kasprzak handelte![1]

Drohungen

Wie aus Saratow gemeldet wird, gab der Gouverneur heute bekannt, daß er alle Unruhen und Plünderungen mit Waffengewalt unterdrücken würde. Trotz dieser Ankündigung wurden revolutionäre Reden gehalten, die scharfe Angriffe gegen den Kaiser enthielten und an die sich eine Plünderung der Wohnungen und Läden der Juden anschloß. Auf die Truppen wurden eine Bombe geschleudert und Revolverschüsse abgegeben. Das Militär erwiderte das Feuer, wodurch Personen verwundet wurden.

Auch in Kiew kündigte der Gouverneur an, daß er jeden Versuch, Unruhen hervorzurufen, mit Waffengewalt niederwerfen werde.

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[1] Siehe Rosa Luxemburg: Ein Opfer des weißen Terrors! In: GW, Bd. 6, S. 553 ff.