Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 548

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So gelangte der Zug aus den breiten „besseren“ Straßen in die engen Gassen des Arbeiterviertels. Nach dem Verhalten der Soldaten die ganze Zeit über hatte niemand einen Gedanken mehr an einen Überfall gehegt; vertrauensvoll marschierte die singende Arbeiterschaft. Und nun plötzlich, wie wir in den engen Gassen uns durchpressen, stellt es sich heraus, daß vorn Kosaken den Weg versperren und hinten Militär bereits den Rückzug abgeschnitten hat. Auch alle Querstraßen waren dicht von den Schergen besetzt, um ein Entkommen unmöglich zu machen! Und da begannen die Salven zu krachen ohne jede Aufforderung zum Auseinandergehen oder die übliche Warnung! Eine furchtbare Panik brach aus. Die Menschen drängten sich so, in vergeblicher Mühe, den mordenden Kugeln zu entrinnen, daß viele dem Ersticken nahe waren. Manche suchten zu entweichen durch angrenzende Stacheldrahtzäune. Die Haustore wurden erbrochen, und man rettete sich in die Haushöfe. Aber die Soldateska schoß auf die Fliehenden und bald lagen Haufen von Leichen und Verstümmelten vor und in den Hausfluren. Die Zahl der Opfer genau anzugeben, ist in diesem Augenblick unmöglich. Es werden jedenfalls nicht weniger als 100 sein. Wir wissen in diesem Augenblick nicht einmal, wie viele und welche von unseren Agitatoren der Schlächterei zum Opfer gefallen sind, sicher ist nur, daß wir schmerzliche Verluste haben.

Als Antwort auf diese Greuel proklamiert die Sozialdemokratie in diesem Augenblick für den Freitag, 23., den Generalstreik.

Über die Vorgänge am Freitag fehlen ausführliche Nachrichten. Der telephonische und telegraphische Verkehr scheinen gestört.

Vorwärts (Berlin),

Nr. 145 vom 24. Juni 1905.

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