Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 536

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Nur neun Mann von den Verhafteten blieben in Händen der Polizei und wurden nach Czenstochau abgeführt.

Darauf forderten die Arbeiter den Fabrikdirektor auf, er solle sofort nach der Stadt fahren und die Freilassung dieser Gefangenen bewirken; wenn bis 8½ Uhr die Gefangenen nicht frei seien, würde das Werk stillgelegt werden. Als zu dieser Stunde keine Antwort eingetroffen war, legten die Arbeiter die Arbeit nieder, bildeten einen Zug und marschierten nach der Stadt, um die Genossen zu befreien. Auf die Kunde hiervon blieben auch andere Fabriken in den Vorstädten stehen, und die Arbeiter schlossen sich dem Zuge an.

Vor der Stadt begegnete der Zug einer Schwadron Kavallerie, einem Bataillon Infanterie und der Polizei. Über anderthalb Stunden standen sich Militär und Arbeiter gegenüber. Um 1 Uhr forderte der kommandierende Offizier die Menge auf, sich zu zerstreuen. Die Arbeiter antworteten, sie würden nicht weichen, bevor die Gefangenen frei seien. Das Signal wurde wiederholt, doch die Arbeiter drangen gegen das Militär vor.

Darauf erhielt die Kavallerie den Befehl, die Straße zu säubern. Die Soldaten ritten in die Menge hinein, doch nur einzelne hieben drein, die meisten machten keinen Gebrauch von der Waffe oder fuchtelten nur in der Luft herum. – Die Menge beantwortete den Angriff mit Steinwürfen, wobei einige Soldaten verwundet wurden. Darauf machten die Reiter kehrt und gingen zurück, wobei sie zwei Karabiner und drei Säbel verloren. Jetzt drangen die Arbeiter in die Häuser und griffen das Militär von hier aus mit Steinwürfen an. Die Kavallerie wurde auf diese Weise zurückgetrieben. Da erhielt die Infanterie Befehl zu feuern. Drei Salven wurden abgeschossen. Die Menge wich zurück, und jetzt stürzte sich die Polizei auf die Fliehenden und schoß blindlings drein. Die Soldaten dagegen hatten größtenteils in die Luft geschossen.

Soweit ich bisher feststellen konnte, wurden zwei Arbeiter getötet, zwei Personen schwer verwundet, ein 13jähriger Knabe und eine Frau! gegen 20 trugen leichtere Wunden davon. Getötet wurden gleichfalls zwei Kinder in großer Entfernung von dem Ort des Zusammenstoßes durch weitgeflogene Kugeln. Die meisten Verwundeten sind von Revolverkugeln getroffen, also Opfer der Polizisten, die wie tolle Hunde wüteten.

Die Arbeiter sind aufs äußerste erbittert.

Vorwärts (Berlin),

Nr. 103 vom 4. Mai 1905.

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