Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 357

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Das ist unrichtig, eine solche Allianz fand nie in Polen statt. Die Bauernschaft blieb den nationalen Bewegungen stets mißtrauisch gegenüber, dem Adel so direkt feindlich. „Die Bürgerschaft der Städte“ aber existierte in Polen gar nicht bis in die Anfänge des 19. J. Sobald sie aber entstand, war sie eine ausgesprochene Gegnerin aller adeligen Bewegungen u. eine offene Stütze der Annexionsmächte. (S. darüber meine Arb[eiten] in der „Neuen Zeit“, namentlich „Von Stufe zu Stufe“ 1897)[1]

6. S. 187-88. „Die polnische Nation hat das Verdienst“ etc.[2]

Einze Die Tatsachen werden hier auf den Kopf gestellt. Polnische Aufstände gingen gerade daran zu Grunde, weil sie von einer Agrarrevolution (Absch[affung] der Leibeig[enschaft] nichts hören wollten! Was Lelewel „proklamierte“ hatte hat gar keine Bedeutung, denn es wurde nie anerkannt.[3] „Proklamiert“ wurde es von einzelnen schon 50 Jahre vor Lelewel! Die Bauerninsurrektion von 1846 u.1847 hat nicht nur nichts gemein mit den nationalen Aufständen, sondern sie richtete sich ja direkt gegen den polnischen Adel, man darf also nicht schlechtweg alle Bewegungen in Polen in einen Topf werfen.

7. S. 207. Die polnische „Bauerndemokratie“[4] im J. 1848 war eine vollendete Phantasie; es fehlten dazu in Polen absolut alle Grundlagen.[5]

Handschriftliche Notizen,

Archivum Akt Nowych [Archiv Neue Akten], Warschau,

AAN 2/1223, sign. 63/III.

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[1] Siehe GW, Bd. 1., 1. Halbbd., S. 94 ff.

[2] Marx, Engels: Gesammelte Schriften 1841 bis 1850. Dritter Band, S. 149. – MEW, Bd. 5, S. 333.

[3] Gemeint ist Lelewel, Joachim: Geschichte Polens. Vollst. dt. Ausgabe. 2. verm. Aufl. Mit einer historischen Einleitung und Übersicht der jüngsten Ereignisse in Polen von J. P. Jordan und einem chronologisch geordneten Inh.Verz., Leipzig 1847.

[4] Marx, Engels: Gesammelte Schriften 1841 bis 1850. Dritter Band, S. 163. – MEW, Bd. 5, S. 346.

[5] In der Einleitung von Franz Mehring zum Dritten Band der „Gesammelten Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels“ wird bei der Behandlung der polnischen Frage in der „Neuen Rheinischen Zeitung“, S. 25 ff., die Beachtung sämtlicher kritischer Bemerkungen von Rosa Luxemburg erkennbar. Vermutlich konnte er sich auf noch mehr schriftliche Handreichungen als die vorliegenden sechs Seiten Bemerkungen vom März 1902 stützen. Das sowohl bei Rosa Luxemburg als auch bei Franz Mehring angedeutete „hs. Man.“ konnte bisher nicht aufgefunden werden. Offensichtlich wird auch die gründliche Auswertung von Rosa Luxemburgs Veröffentlichungen zur polnischen Frage. Darauf macht auch Franz Mehring als Herausgeber der „Gesammelten Schriften“ auf S. 269 f. in einer Anmerkung aufmerksam, indem er auf Rosa Luxemburgs Artikel in der Neuen Zeit 1896/1897, ihre Dissertation und ein „hs. Man.“ über polnische Geschichte hinweist und seinen lebhaftesten Dank an seine junge Freundin ausspricht. Rosa Luxemburg honorierte die Anerkennung mit einer ausführlichen Rezension dieses Dritten Bandes im Vorwärts vom 9. November 1902. Als ein besonderes Verdienst von Franz Mehring hebt sie hervor: „Er bietet hier in gewissem Sinne die erste kritische Analyse der ‚Neuen Rheinischen Zeitung‘.“ Aus dem Nachlaß unserer Meister. In: GW, Bd. 1, 2. Halbbd., S. 299 f. – Rezension zum Vierten Band vom 24. November 1901 siehe ebenda, S. 148 ff.