Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 309

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daß sie ihre Leser zu Sozial-Patrioten anstatt zu einer aufgeklärten Klasse der Sozialdemokraten – zu würdigen Mitgliedern der deutschen Partei – erzogen hat. Es ist soweit gekommen, daß die Leser der „Gazeta Robotnicza“ in den Ruf einstimmen: „Es lebe das freie polnische Volk!“ Die auf dem diesjährigen Kongreß von 143 Stimmen unterstützte, aus Bremen eingebrachte Resolution beweist, daß die Genossen – Sozialisten –, Polen bleiben wollen, denn sie endet mit dem Ruf: „Es lebe das freie Polen!“ „Es lebe der internationale Sozialismus!“

Die Redaktion der „Gazeta Robotnicza“ und der sogenannte Vorstand der polnisch-sozialistischen Partei[1] sind die größten Stümper und Diener der auswärtigen Gruppen, namentlich der Londoner, die sich durch die dortigen aufgeblasenen Menschen an der Nase herumführen lassen; ihre Arbeit ist dagegen minderwert und lächerlich.

Die Korrespondenten aus Schlesien und dem Posenschen verstehen nicht zu schreiben, und doch veröffentlicht die Redaktion ihre Artikel als etwas Außergewöhnliches.

Mit einem Wort: Die „Gazeta Robotnicza“ entspricht nicht den Anforderungen der deutschen Sozialdemokratie; die Unterstützung, welche sie aus der deutschen Parteikasse bezieht, ist mithin umsonst. Die Zeitung muß den bisherigen Leitern abgenommen, den Händen einer anderen Redaktion übergeben und unter die Kontrolle der deutschen Genossen gestellt werden.

In diesem Sinne hatte die Frau Rosa ihren ganzen Haß zum Vorschein gebracht sowie alles das erzählt, was sie auf der Kuhhaut hatte. Bei jedem Ausdruck: „Polen, polnisch“, bringt sie ihre Verbissenheit zum Vorschein und nur die Tropfen ihres Riechfläschchens haben sie im Gleichgewicht erhalten. Im weiteren wurde die Rosa Luxemburg von Winter usw. unterstützt.

Die Antwort vom Vorstand der polnischen sozialistischen Partei war durchaus nicht delikat, [… sie mündete in Berfus’ Äußerung]: Wir sind eine polnische Partei, polnische Sozialisten und mithin auch Liquidatoren und Erben der ganzen polnischen Gemeinschaft in ihrem gesamten Ursprung. Infolgedessen schließen wir uns der galizischen Taktik an.

Eure Agitation unter den polnischen Arbeitern und eure Reden, die dieselben nicht verstehen, sind nur eine Komödie und Dressur des Volkes. Wir bilden mit Galizien und dem Königreich ein Ganzes; dasselbe Blut fließt durch unsere Adern; nur eine gleiche Idee vereinigt uns, und unser gemeinsames Ideal ist ein freies sozialistisches Polen. […]

Das polnische Volk wird mit Verachtung von euch sprechen, weil ihr an dem Wahlruf des internationalen Sozialismus Verrat übt und so dem Hakatismus[2] behilflich seid.

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[1] Vom Vorstand der PPS nahmen an der Beratung August Stanisl/aw Berfus, Stefan Thiel, Biniszkiewicz, Alfons Morawski, Stanisl/aw Rybicki und Adam Wojciechowski teil.

[2] Der 1894 gegründete Verein zur Förderung des Deutschtums in den Ostmarken, ab 1899 Deutscher Ostmarkenverein, nach den Anfangsbuchstaben seiner Gründer, Ferdinand von Hansemann, Hermann Kennemann und Heinrich von Tiedemann-Seeheim, auch Hakatistenverein genannt. Er vertrat eine rücksichtslose wirtschaftliche und politische Unterdrückungspolitik gegenüber den Polen in den östlichen Provinzen des Deutschen Reiches und strebte die territoriale Expansion nach dem Osten an.