Der Antrag wird einstimmig angenommen und in die dreigliedrige Preßkommission werden gewählt: Luxemburg, Rybicki und Wojciachowski.
Punkt 4 der Tagesordnung: Frage der Kandidaten zum Reichstag, ruft lebhafte Klagen von Karwik-Bremen, Biniszkiewicz-Berlin und S. Thiel-Berlin über die deutsche Partei hervor, die in polnischen Kreisen wie Beuthen-Tarnowitz deutsche Kandidaten (Sachse) aufstelle.
Morawski weist darauf hin, daß die Aufstellung der Kandidaten nicht von der deutschen Partei, sondern von den Genossen in jedem Kreis erfolgt, es sei Sache der Genossen in Beuthen-Tarnowitz, wen sie zum Kandidaten wollen.
Matuszewski-Posen spricht im gleichen Sinn.
R. Luxemburg-Posen wünscht, daß man bei diesem Punkt lieber auf die durch die Flottenvorlage[1] möglicherweise zu gewärtigende Reichstagsauflösung und die Neuwahlen eingehen solle.
Berfus erinnert daran, daß die deutsche Partei prinzipiell für die Aufstellung von Kandidaten sei, die beide Sprachen beherrschen, und den Kreisen die Sache überlasse. – Damit wird die Frage erledigt.
Zum Parteivorstand werden gewählt: Thiel, Berfus, Morawski, Merkowski und Golibrocki.
Nachdem noch einige Resolutionen, so betr. die Flottenvorlage und das Doppelspiel des Zentrums, die Feier des 1. Mai, den österreichischen Bergarbeiterstreik etc. angenommen werden und Genosse Gogowski-Posen in einer deutschen Ansprache mit Genugtuung konstatiert, daß trotz scharfer Reibungen eine Verständigung erzielt und die gemeinsame praktische Arbeit ermöglicht worden sei, wird der Parteitag vom Genossen Berfus mit einigen schwungvollen Worten geschlossen. –
NB. Zum ersten Teil des Berichts in Nr. 89 des „Vorwärts“ ist noch berichtigend nachzutragen, daß die Posener Delegierten den Antrag auf Auflösung der Polnischen Sozialdemokratischen Partei nicht erst im Laufe der Diskussion auf dem Parteitag zurückgezogen haben. Dieser von 18 Genossen aus Posen gestellte Antrag ist bereits auf einer Parteikonferenz in Posen am 25. März von diesen Genossen zurückgezogen und durch eine einstimmig angenommene Erklärung ersetzt worden, die die Gemeinsamkeit des Endziels und der politischen Bestrebungen der Posener mit der deutschen Sozialdemokratie hervorhebt und den Vorstand der Polnischen Sozialdemokratischen Partei auffordert, auf diesem Boden kräftig zu arbeiten.
Vorwärts (Berlin),
Nr. 91 vom 20. April 1900.
[1] Nach Annahme der ersten Flottenvorlage als Flottengesetz vom 10. April 1898 (mit der Deutschland das Wettrüsten zur See, das zur Verschärfung des Gegensatzes zwischen Deutschland und England führte, begann) wurde Ende 1899 eine zweite Flottenvorlage vorbereitet, die am 12. Juni 1900 mit 201 gegen 103 Stimmen angenommen wurde. Sie sah eine Verdoppelung der vorgesehenen Schlachtflotte bis zum Jahre 1917 vor. Die deutsche Flotte soll danach aus 34 Linienschiffen, 11 schweren und 34 leichten Kreuzern und rd. 100 Torpedobooten bestehen, außerdem aus einem Reservegeschwader von 4 Panzerschiffen, drei schweren und vier leichten Kreuzern. Als Kosten wurden in der Vorlage 1861 Mill. M angegeben.