Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 278

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direkt die Prägung einer Frage des Klassenkampfes geben, nämlich: Militarismus, Nationalismus-Chauvinismus, Antisemitismus und Klerikalismus. Gemäß unseren Prinzipien und allgemeinen Tendenzen bekämpfen wir diese direkten Feinde des sozialistischen Proletariats in der Agitation mit Wort und Schrift immer generell. Wie unbegreiflich wäre es daher, sich nicht an einem Kampfe gegen diese Feinde zu beteiligen, wenn es sich darum handelt, sie nicht anhand abstrakter Klischees, sondern anhand lebendiger Tagesereignisse zu entlarven!

Die Teilnahme der Sozialisten an der Bewegung, die durch die Dreyfus-Affäre hervorgerufen worden ist, steht daher unter dem Gesichtspunkt des Klassenkampfes außer Zweifel. Es kann sich also nur um das Wie dieser Teilnahme handeln. Von diesem Standpunkt aus unterscheidet sich die Rolle der sozialistischen Arbeiterklasse wesentlich von der der bürgerlichen „revisionistischen“ Elemente. Während es sich für letztere nur darum handelte, einen legalen Mord wieder gut zu machen, stellte sich der Fall den Sozialisten als eine der seltenen Gelegenheiten dar, den Zerfall der bürgerlichen Gesellschaft zu enthüllen. Während die bürgerlichen Elemente mit ihrem Auftreten gegen den Generalstab den Militarismus von seinem Geschwür heilen wollten, um ihn lebensfähig zu machen, waren im Gegensatz dazu die Sozialisten gezwungen, das System des Militarismus in seinem Niedergang generell zu bekämpfen und ihm die Forderung nach Miliz und Volksbewaffnung entgegenzustellen.

Die Haltung der sozialistischen Partei konnte sich also in so grundlegender Weise von der der bürgerlichen Dreyfusards abgrenzen, daß man selbst keine Veranlassung hatte, von einer Unterstützung der bürgerlich-„revisionistischen“ Welt seitens der Sozialisten zu sprechen, da letztere über die Möglichkeit verfügten, einen vollständig unabhängigen Kampf zu führen, d. h. einen unzweideutigen Klassenkampf, der sie von den anderen Fraktionen der Bewegung unterschieden hätte.

In welchem Maße diese Bewegung tatsächlich diesen Charakter gehabt hat, ist eine andere Frage. Es scheint uns, daß hier und da der Gesichtspunkt der abstrakten Gerechtigkeit und der Verteidigung der Person Dreyfus vielleicht von unseren Genossen zu sehr in den Vordergrund gestellt worden ist und daß man die Agitation für das Milizsystem etwas vernachlässigt hat. Das hat zur Folge gehabt, daß das Proletariat möglicherweise weniger Klassenbewußtsein erworben hat, als es hätte erlangen können. Aber: Kritik ist leicht, Kunst ist schwierig. Und im Übrigen werden die französischen Genossen noch genügend Gelegenheiten haben, die Lehren der Dreyfus-Affäre mit all ihren Konsequenzen für den Klassenkampf auszunutzen, wenn die Gemeinschaft der Sozialisten in Frankreich das Gewicht dieses gesellschaftlichen Ereignisses für die Sache des Proletariats verstanden haben wird.

Unseres Erachtens besteht die politische Bedeutung der Dreyfus-Affäre im eigentlichen Sinne darin, daß diese Affäre die Möglichkeit geboten hat, eine große politische Bewegung, die das ganze Land erfaßte, zum Gegenstand des Klassenkampfes zu machen und auf diese Weise in einem kurzen Zeitraum mehr an sozialistischem

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