Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 145

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Idee des Generalstreiks“ treten zu lassen. Auch Guérard befürwortete diesen Rückzug und schätzte, daß für die Propaganda durch Zeitungen und Broschüren etwa 10000 Francs im Jahre erforderlich seien. Fünf Prozent des einlaufenden Streikgeldes sollten zu dem Zwecke in der Kasse verbleiben. Wie groß die Reichtümer der Generalstreikkasse gegenwärtig sind, und wie hoch sich der Kassenbestand der Gewerkschaft der Eisenbahner beläuft, darüber fehlen die Angaben. Das Eine ist sicher: Viel dürfte weder hier noch da vorhanden sein. Ungünstig fällt für die Bewegung der Eisenbahner ins Gewicht, daß die meisten Lokomotivführer der Organisation fernstehen. So viel scheint jetzt schon unzweifelhaft, daß im Gegensatz zu der Haltung der Schweizer Regierung gelegentlich des vorjährigen Eisenbahnerstreiks[1] die französische Regierung als getreuer Gendarm der millionenreichen Eisenbahnaktionäre alle staatlichen Machtmittel zur Niederbüttelung der Bewegung wird spielen lassen. Selbstverständlich nur „im Staatsinteresse“, wie seinerzeit die Niedermetzelung der streikenden Eisenbahner in Amerika geschah.[2]

Am 25. August fand in Pantin bei Paris eine große, gut besuchte Versammlung der Eisenbahnarbeiter und Eisenbahnbeamten statt. In richtiger Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse beschlossen die Versammelten, vor einem Eintreten in den Streik alle Mittel zu erschöpfen, um auf dem Wege einer Verständigung mit der Eisenbahndirektion die formulierten Forderungen durchzusetzen. Zu diesem Zwecke soll eine Interpellation eingebracht und die Kammer sowie der Minister der öffentlichen Arbeiten aufgefordert werden, folgende drei Punkte einer eingehenden Prüfung zu unterziehen: „1) Maßregeln zu ergreifen gegenüber den großen Eisenbahngesellschaften, welche im Verlaufe der eingeleiteten Bewegung es kategorisch abgelehnt haben, den Nationalverband der französischen Eisenbahner anzuerkennen und sich dadurch in offenen Widerspruch stellen mit dem Gesetz von 1884, die Gewerkschaftsorganisationen betreffend. 2) Die Eisenbahngesellschaften zu zwingen, die Arbeiter und Beamten wieder einzustellen, welche unter lächerlichen Vorwänden wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gewerkschaft und ihrer Tätigkeit innerhalb derselben entlassen worden sind. 3) Eine außerparlamentarische Kommission zu ernennen, welche den Auftrag erhält, das Programm der Forderungen zu prüfen, das seit 1874 auf den verschiedenen Kongressen der organisierten Eisenbahner formuliert worden ist.“ Der Vorsitzende der parlamentarischen Kommission für das Eisenbahnwesen, Abgeordneter Berteaux, wurde von der Versammlung einstimmig damit betraut, die diesbezügliche Interpellation einzubringen bzw. die Forderungen der Eisenbahner zu vertreten.

Sächsische Arbeiter-Zeitung (Dresden),

Nr. 203 vom 2. September 1898.

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[1] Die Schweizer Eisenbahner streikten vom 1. bis 13. März 1897. Sie errangen rückwirkend zum 1. März 1897 neue Dienstverträge und zum 1. Januar 1896 Lohnerhöhungen.

[2] Der Eisenbahnerstreik in den USA (21. Juni bis 20. Juli 1894) richtete sich gegen Lohnkürzungen. Er begann in den Pullman-Werkstätten von Chicago, breitete sich über das ganze Land aus und erfaßte mehr als 100000 Arbeiter. Die Regierung setzte Militär ein. Es wurden zwölf Arbeiter getötet.