Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 913

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schaftsblätter zu tun pflegen, denen man ihr parteischädigendes Treiben vorhält. Wer jedoch in Wahrheit verleumdet, das läßt sich an dem eigenen Artikel des „Grundsteins“ mit spielender Leichtigkeit nachweisen. Das Organ des Maurerverbandes hatte als Hauptbeweismaterial für die angebliche Feindschaft der „radikalen“ Sozialdemokraten gegen die Gewerkschaften zweierlei angeführt: ein Zitat aus einem Artikel der „Leipziger Volkszeitung“ vom Januar 1903, von dem ohne weiteres behauptet wurde, daß er von der Gen. Luxemburg geschrieben war, und ferner einen angeblich von ihr in einer Leipziger Versammlung gebrauchten Ausdruck über die „Sisyphusarbeit der Gewerkschaften“. Es wurde im „Vorwärts“ festgestellt, daß beide „Beweise“ aus den Fingern gesogen sind, und der „Grundstein“ ist gezwungen, jetzt selbst zuzugeben, daß er in leichtfertiger Weise Verleumdungen verbreitete.[1] Der Artikel in der „LV“ war nicht von der Gen. Luxemburg geschrieben, und den Ausdruck von der „Sisyphusarbeit“ will der „Grundstein“ nur in „Zeitungsberichten“ über die Leipziger Versammlung gefunden haben, er lehnt aber jede Verantwortlichkeit für diese „Zeitungsberichte“ ab. In Wirklichkeit wird sich der „Grundstein“ mit den „Zeitungsberichten“, hinter die er sich verschanzt, gar nicht ausweisen können, denn tatsächlich ist die von Rexhäuser zuerst frei geschaffene Legende von dem Ausdruck „Sisyphusarbeit der Gewerkschaften“ im Sinne völliger Nutzlosigkeit des Gewerkschaftskampfes nicht auf Grund irgendeines Versammlungsberichtes, sondern lediglich auf Grund eines Satzes in der Broschüre der Genossin Luxemburg: „Sozialreform oder Revolution“ zurechtgemacht[2], und die Fälschung, die der Legende zugrunde liegt, ist schwarz auf weiß im „Vorwärts“ nachgewiesen worden.[3] Behauptet nun der „Grundstein“ dreist, daß

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[1] Siehe Aus der Partei. Beiträge und Kommentare zu Meldungen in der Rubrik „Aus der Partei“. In: GW, Bd. 6, S. 902.

[2] In „Sozialreform oder Revolution“ heißt es: „Erstens haben die Gewerkschaften zur Aufgabe, die Marktlage der Ware Arbeitskraft durch ihre Organisation zu beeinflussen; die Organisation wird aber durch den Prozeß der Proletarisierung der Mittelschichten, der dem Arbeitsmarkt stets neue Ware zuführt, beständig durchbrochen. Zweitens bezwecken die Gewerkschaften die Hebung der Lebenshaltung, die Vergrößerung des Anteils der Arbeiterklasse am gesellschaftlichen Reichtum; dieser Anteil wird aber durch das Wachstum der Produktivität der Arbeit mit der Fatalität eines Naturprozesses beständig herabgedrückt. […]

In beiden wirtschaftlichen Hauptfunktionen verwandelt sich also der gewerkschaftliche Kampf kraft objektiver Vorgänge in der kapitalistischen Gesellschaft in eine Art Sisyphusarbeit. Diese Sisyphusarbeit ist allerdings unentbehrlich, soll der Arbeiter überhaupt zu der ihm nach der jeweiligen Marktlage zufallenden Lohnrate kommen, soll das kapitalistische Lohngesetz verwirklicht und die herabdrückende Tendenz der wirtschaftlichen Entwicklung in ihrer Wirkung paralysiert, oder, genauer, abgeschwächt werden. Gedenkt man aber, die Gewerkschaften in ein Mittel zur stufenweisen Verkürzung des Profits zugunsten des Arbeitslohnes zu verwandeln, so setzt dies vor allem als soziale Bedingung erstens einen Stillstand in der Proletarisierung der Mittelschichten und dem Wachstum der Arbeiterklasse, zweitens einen Stillstand in dem Wachstum der Produktivität der Arbeit, also in beiden Fällen – ganz wie die Verwirklichung der konsumgenossenschaftlichen Wirtschaft – einen Rückgang auf vorgroßkapitalistische Zustände voraus.

Die beiden Bernsteinschen Mittel der sozialistischen Reform: die Genossenschaften und die Gewerkschaften, erweisen sich somit als gänzlich unfähig, die kapitalistische Produktionsweise umzugestalten.“ GW, Bd. 1, 1. Halbbd., S. 419 f.

[3] Siehe Rosa Luxemburg: Die Hetzer an der Arbeit. In: GW, Bd. 1, 2. Halbbd., S. 605 ff.