Nummer des genannten Blattes veröffentlicht die folgende Zuschrift aus Gewerkschaftskreisen. Der Schreiber ist Genosse Fröhlich-Köln: „Die Redaktion verlangt von mir eine Abhandlung darüber, was Revisionismus ist und wer Revisionist ist. Unsere Redaktion wäre ja eigentlich berufener, diese Frage zu beantworten, weil sie näher an der Quelle ist als ich. Im Volksmunde gelten als Revisionisten solche Leute, die gern von sich reden machen und zu diesem Zwecke allerlei vom Zaune brechen; Leute, von denen die Sozialdemokratie als ein schwankendes Schiff hingestellt wird, dem man sich nicht anvertrauen könne; Leute, denen die Bewegung alles, und das Endziel gar nichts ist; Leute, die Gott danken, daß die ‚Neue Zeit‘ nicht viel von Arbeitern gelesen wird; Leute, die den Generalstreik für Generalunsinn erklären, und die Diskussion über den politischen Massenstreik verbieten wollen (Meinungsfreiheit); Leute, die lieber heute als morgen dem Proletariat die Maifeier nehmen möchten; Leute, die, wie noch gestern im Kölner Kartell geschehen ist, sich darüber beschweren und über die Maßen aufregen, daß in Gewerkschaftsversammlungen die sozialdemokratische Arbeiterpresse empfohlen wird; Leute, die sich damit brüsten, die als Gauleiter in öffentlichen Versammlungen erklären, noch nie Geld für den sozialdemokratischen Reichstags-Wahlfonds gegeben zu haben und darauf ordentlich stolz sind. Weiter werden Leute als Revisionisten angesehen, die den ‚Vorwärts‘-Konflikt als eine Parteikrise hinstellen und nicht müde werden, ihn aufzubauschen zum Schaden der gesamten Arbeiterklasse und zum Nutz und Frommen der herrschenden Klasse. Mit einem Wort: alle diejenigen, die durch ihr Tun und Treiben der allgemeinen Arbeitersache schaden und deren Wirken wie Sprengpulver und Scheidewasser wirkt. Sie alle sind dem gewöhnlichen Untertanenverstande der Arbeiter unter dem Sammelnamen Revisionisten bekannt. Wie muß es doch die Begeisterung der Arbeiter zu hellen Flammen anfachen, wenn sie folgendes in dem Verbandsorgan der Buchdrucker, im ‚Correspondent‘ lesen. Unter Hinweis auf das nach dem letzten Jahresbericht in den verschiedenen Kassen des Verbandes befindliche Vermögen von insgesamt 5990060 M schreibt das Blatt in Nr. 136: ‚Rechnen wir rund davon vier Millionen verfügbar für Streikunterstützung und folgen dann den sirenenhaften Lockungen der Generalstreikapostel à la Rosa Luxemburg, so wäre die ganze Herrlichkeit auch bald zu Ende – und das Hungern für die Überzeugung könnte seinen Anfang nehmen.‘ Auch der, der das verbrochen hat, gehört mit unter den Sammelnamen.
Auf die Frage, welchen Wert ich den Vertrauenskundgebungen für den Parteivorstand und die Berliner Preßkommission beimesse, antworte ich: Hundertmal mehr als allen Anwürfen, die gegen Parteivorstand und Preßkommission in dieser Angelegenheit gerichtet worden sind.“
Vorwärts (Berlin),
Nr. 290 vom 12. Dezember 1905.