Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 887

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teigenossen, wie z. B. in letzter Zeit gegen die Genossen Ehrhart, Scheidemann und Bernstein. Sie erwartet bei Meinungsdifferenzen unter Parteigenossen eine sachliche Bekämpfung unter Beiseitelassung alles Persönlichen.“

Wir sind uns einer „persönlich-gehässigen Polemik gegen Parteigenossen“ nicht bewußt und glauben, daß auch die überwiegende Mehrheit unserer Leser die Objektivität unserer Berichterstattung über die internen Parteivorgänge anerkennen wird.

Der „Korrespondent für die Arbeiter und Arbeiterinnen der Hut- und Filzwaren-Industrie“ schreibt: „Ein Konflikt in der ‚Vorwärts‘-Redaktion wirbelt viel Staub auf und kann auch in unserem Blatte nicht unerwähnt bleiben. Der Tatbestand ist kurz folgender: Nach dem friedlichen Abschluß der Pressefehde auf dem Jenenser Parteitag[1] glaubte der Parteivorstand dennoch einem dort angenommenen Antrage gerecht zu werden, wenn er eine Änderung in der Zusammensetzung der Redaktion herbeiführte. Um die Mehrheit der Redaktion, die weit entfernt vom sogenannten Revisionismus, doch aber nicht radikal genug schimmerte, in eine Minderheit zu verwandeln, kündigte der Parteivorstand zwei Redakteuren, ohne denselben zuvor irgendeine Mitteilung zu machen. Die anderen vier Redaktionskollegen faßten das gewissermaßen als eine Maßregelung auf, erklärten sich mit den Zweien solidarisch und reichten ebenfalls ihre Kündigung ein, drei Redakteure blieben in ihren Stellungen. Die sechs Gekündigten wurden dann vom Parteivorstand nach wenigen Tagen auf Knall und Fall entlassen unter Auszahlung ihres Gehaltes bis ultimo März nächsten Jahres. Die Preßkommission billigte dieses Vorgehen des Parteivorstandes, desgleichen eine Konferenz, in der außer den beiden Vorgenannten auch die Vertrauensleute und Vertreter von Groß-Berlin teilnahmen. Aus diesen Vorgängen entwickelte sich ein heftiger Streit, der in der Parteipresse noch tobt. Die große Mehrzahl der Parteiblätter mißbilligt das Vorgehen des Parteivorstandes. In gleicher Weise urteilt – Ausnahmen abgerechnet – die Gewerkschaftspresse, welche, wie die Parteipresse, tagtäglich den Kampf gegen das „Herr im Hause sein wollen“ zu führen hat und nicht ein oder gar zwei Augen zudrücken kann, wenn auf unserer Seite Dummheiten verübt werden.“

Der obigen, sehr ungenauen Schilderung des „Vorwärts“-Konflikts[2] fügt der „Korrespondent“ die Bemerkung hinzu, daß er sich von der Vorliebe für die „Vorwärts“-Redaktionen beider Richtungen frei fühlt. Auffallend ist es aber, daß er die Stellungnahme der Partei- und Gewerkschaftspresse hervorhebt, mit keinem Wort

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[1] Auf dem Jenaer Parteitag 1905 war eine Fünfzehnerkommission eingesetzt worden, um den sachlichen Inhalt einiger Anträge zu prüfen, in denen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen sozialdemokratischen Zeitungen, besonders dem Vorwärts und der LVZ über taktische Fragen, vorwiegend den politischen Massenstreik, als „Literatengezänk“ bezeichnet wurden und die unter diesem Vorwand die Einstellung der Auseinandersetzungen forderten. Die Kommission verwarf diesen Standpunkt. Siehe Parteitagsprotokoll Jena 1905, S. 42 f., S. 219 f. und 350 ff.

[2] Der Vorwärts, der nach dem Tode Wilhelm Liebknechts unter der Chefredaktion von Kurt Eisner immer mehr in das Fahrwasser der Opportunisten geraten war, hatte sich 1905 auf die Seite der Gegner des politischen Massenstreiks gestellt und durch diese Haltung große Empörung bei der Mehrheit der Sozialdemokraten ausgelöst. Dieses Problem hatte auch auf dem Parteitag der deutschen Sozialdemokratie in Jena 1905 eine Rolle gespielt. Vom Parteitag war eine Fünfzehnerkommission eingesetzt worden, um den sachlichen Inhalt einiger Anträge zu prüfen, in denen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen sozialdemokratischen Zeitungen, besonders dem Vorwärts und der LVZ, über taktische Fragen, vorwiegend den politischen Massenstreik, als „Literatengezänk“ bezeichnet wurden und die unter diesem Deckmantel die Einstellung der Auseinandersetzung forderten. Die Kommission verwarf diesen Standpunkt. Der Vorwärts vom 22. Oktober 1905 veröffentlichte die Kündigung der sechs bisherigen Vorwärts-Redakteure. Am 25. Oktober 1905 druckte der Vorwärts die Mitteilung des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei ab, daß in einer Sitzung leitender Funktionäre der Partei am 23. Oktober 1905 in Berlin die Kündigung der Vorwärts Redakteure akzeptiert und Maßnahmen zur Ergänzung der Redaktion beschlossen worden waren. An dieser Zusammenkunft hatten teilgenommen: der Parteivorstand, die Vertrauensleute von Berlin und Umgegend, die Vorsitzenden und Kassierer der acht sozialdemokratischen Wahlvereine, die Lokalkommission, die Agitationskommission für die Provinz Brandenburg sowie Abgeordnete und Kandidaten der Wahlvereine Berlins und Umgegend für den Reichstag. Die neue Redaktion nahm mit Rosa Luxemburgs als Verantwortliche ab 1. November 1905 ihre Tätigkeit auf.