Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 598

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wissenschaftliche Beilage des „Vorwärts“, die in der letzten Zeit selten erschienen ist, wieder häufiger erscheinen – wenn auch nicht wöchentlich. Und neben ausführlichen Kritiken hervorragender literarischer Neuerscheinungen auf dem Gebiete der Sozialwissenschaft, Geschichte, Politik und Belletristik auch gelegentlich kurze populär-wissenschaftliche Aufsätze bringen. Außerdem gedenken wir, nach und nach die Parteinachrichten weiter auszugestalten und neben der Registrierung der einzelnen Vorkommnisse in unserer Partei hin und wieder kurze kritische Referate über wichtigere in unserer Parteipresse auftauchende grundsätzliche und taktische Fragen zu bieten, so daß die Genossen – wenn auch aus Gründen des Raumes natürlich nur in beschränktem Maße – ein gewisses Bild des geistigen Lebens unserer Parteipresse erhalten.

Eine immer erhöhte Bedeutung gewinnt die Gewerkschaftsbewegung. In dem direkten wirtschaftlichen Kampfe zwischen Kapital und Arbeit spiegelt sich mehr und mehr das Gesamtbild des proletarischen Klassenkampfes. Aus den Lohnkämpfen früherer Jahrzehnte sind Prinzipienkämpfe von nie geahnter Ausdehnung geworden. Nicht zwecks Erringung von Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen allein betritt heute das zielbewußte gewerkschaftlich organisierte Proletariat das Kampfesfeld; nein, es fordert Anerkennung des Prinzips, daß der Verkäufer der Arbeitskraft bei der Feststellung des Preises derselben mitzureden hat. Das Unternehmertum aber ist bemüht, den krassen, längst überlebten Herrenstandpunkt früherer Zeit festzuhalten und sicherzustellen durch Inanspruchnahme der Staatshilfe und Ausnutzung der Gesetzgebung. Und je mächtiger die ökonomische Entwicklung den einzelnen Kapitalisten macht und je enger das Kapital sich organisiert, je mehr es sich die Staatsgewalt untertan macht und die Gesetzgebung in seinem Sinne beeinflußt, desto umfangreicher und heftiger werden die sozialen Kämpfe, auch dem kurzsichtigsten und rückständigsten Arbeiter klarmachend, wie wenig die Gewerkschaftler die politische Bewegung, der Sozialdemokrat die gewerkschaftliche Organisation vernachlässigen darf. Auch dies an Beispielen aus dem sozialen Leben immer wieder zu zeigen, wird unsere Aufgabe sein.

Um für diese Zwecke mehr Raum zu gewinnen, sollen die Berichte über reine Sensationsprozesse etc. möglichst verkürzt werden.

Erst nach und nach wird dieses Programm sich durchführen lassen. Die Redaktion ist durch die Vorgänge der letzten Wochen erheblich verändert worden. Drei Mitglieder der bisherigen Redaktion haben neue Ressorts übernommen und drei sind neu in den Redaktionsverband eingetreten.[1] Da bedarf es immer einiger Zeit, bis ein

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[1] Zur Redaktion gehörten neben Rosa Luxemburg Hans Block, Georg Davidsohn, Wilhelm Düwell, Arthur Stadthagen, Karl Wermuth, Heinrich Cunow, Heinrich Ströbel und Fritz Kunert. „Liebe Róza“, schrieb Karl Kautsky auf eine Visitenkarte am 28. Oktober 1905, „also morgen nimmt das Interregnum ein Ende, und Du bist als Mitarbeiterin feierlich eingeladen, d. h. offiziell, in der neuen Redaktion mitzutun. Erste Pflicht: Du hast morgen, sonntags, Punkt 10 Uhr Vorm[ittag] zu der Redaktionssitzung zu erscheinen, die alles weitere regelt. Für Dienstag wird ein Artikel von Dir erwartet, Alles andere mach mit dem Menschinstwo selbst ab. Es lebe die Revolution an allen Ecken und Enden! Dein K. K.“ Zitiert nach GB, Bd. 2, S. 225.