Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 445

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So ist gerade die Sozialdemokratie die einzige Partei in Deutschland, die es verstanden hat, der offiziellen Hatz gegen das Polentum, an der das ostelbische Junkertum und der deutsche Freisinn in rührender Eintracht um die Wette teilnehmen, eine Politik der völligen nationalen Solidarität und Verbrüderung auf dem Boden der proletarischen Klasseninteressen entgegenzusetzen.

Gibt es Reibungen und Gegensätze, so nur zwischen der vereinten deutsch-polnischen Sozialdemokratie und einem Häuflein polnischer Sonderbündler, die eben deshalb in Gegensatz zur Gesamtpartei gerieten, weil sie nicht auf sozialdemokratischem, sondern auf nationalistischem Boden stehen, auf dem Boden nationaler Kämpfe, für die es im Rahmen der Sozialdemokratie keinen Raum gibt. Es handelt sich auch bei diesem geringfügigen Zwiespalt nicht um einen Hader zwischen der „deutschen Sozialdemokratie und der polnischen“, sondern in erster Linie zwischen dem kleinen national-sozialistischen Sonderbund der Polen und der großen Mehrheit ihrer eigenen der Sozialdemokratie folgenden Landsleute.[1]

Es entspricht ganz dem Gesichtskreise wie dem Geiste des Freisinns, sich die Sozialdemokratie in Deutschland nicht anders als deutsche und nur deutsche, also polenfeindliche Partei vorzustellen. Die Schiefheit dieser Vorstellung liegt aber am Spiegel, nicht am Gegenstand. Nationalen Zwist mag die „Vossin“ in eigenen Reihen und bei den Konservativen sowie im Zentrum suchen. Die Sozialdemokratie kennt einen solchen nicht und wird auch über die Lappalien, die einen gegenteiligen Schein auf sie zu werfen geneigt sind, zur Tagesordnung übergehen.

Leipziger Volkszeitung,

Nr. 220 vom 23. September 1902.

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[1] Siehe auch Fünfter Parteitag der PPS in Berlin am 15. und 16. April 1900. In: GW, Bd. 6, S. 297 ff. sowie S. 301, 308 ff. und 325 ff.