Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 281

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Sozialreformen, die ein Minister als Freund der Arbeiter verwirklichen kann, haben nichts Sozialistisches an sich, sie sind nur insofern sozialistisch, als sie durch den Klassenkampf erzielt worden sind. Die Sozialreformen, die von einem Minister kommen, können keinen proletarischen, sondern nur bürgerlichen Klassencharakter haben, denn der Minister verbindet sie durch den Posten, den er einnimmt, mit seiner Verantwortung für all die anderen Funktionen der bürgerlichen Regierung wie Militarismus usw. Während wir im Parlament, im Munizipalrat nützliche Reformen erreichen, indem wir die bürgerliche Regierung bekämpfen, können wir die gleichen Reformen durch die Wahrnehmung eines Ministeramtes nur erhalten, indem wir den bürgerlichen Staat unterstützen. Der Eintritt von Sozialisten in eine bürgerliche Regierung bedeutet daher nicht, wie man glaubt, eine teilweise Eroberung des bürgerlichen Staates durch die Sozialisten, sondern eine teilweise Eroberung der sozialistischen Partei durch den bürgerlichen Staat.[1]

Cahiers de la Quinzaine,

1899, n° 11, pp. 77-82.

Wiedergabe nach: Rosa Luxemburg. Le Socialisme en France (1898–1912). Introduction de Daniel Guérin, Paris 1971, S. 81-85.

Die Übersetzung aus dem Französischen erfolgte durch Vermittlung von Harald Koth.

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[1] Siehe auch Rosa Luxemburg: Die sozialistische Krise in Frankreich. In: ebenda, S. 5 ff.