1883 und 1884 wurde die Partei ihrer besten Kräfte durch Verhaftungen beraubt. 1885 fand der bekannte Sozialistenprozeß vor dem Kriegsgericht in Warschau statt, wobei 21 Mitglieder des „Proletariat“ zu Zwangsarbeit von 6 bis 20 Jahren verurteilt wurden und vier – Kunicki, Bardowski, Ossowski und Pietrusiński – zum Tod am Galgen, den sie auch mit Heldenmut erlitten. Die Seele der Bewegung, Waryński, dem 16 Jahre Zwangsarbeit bevorstanden, wurde in der Festung Schlüsselburg eingekerkert, wo er auch ausgelitten hat. Nach dem Prozeß von 1885 bleibt von der Bewegung nur noch ein Schatten: ihre Überbleibsel treten seit 1889 allmählich auf sozialdemokratischen Boden, während die ins Ausland geflüchteten ehemaligen Mitglieder des „Proletariat“ sich 1893 zum Sozialnationalismus bekehren.
Solange die sozialistische Agitation nicht über kleine geheime Zirkel hinausging, kann eigentlich von einer Arbeiterbewegung in Polen nicht die Rede sein, und es wäre ein müßiges Unterfangen, nach tiefliegenden sozialen Ursachen als Erklärung dieser oder jener der damaligen sozialistischen Ideen zu suchen. Im Jahre 1888 beginnt aber ein Rückschlag in den Begriffen der Sozialisten, und zwar bewirkt durch einen kräftigen Anstoß der spontan aufgekommenen Bewegung der Arbeitermassen. Gerade als nach dem Rückgang des gewaltigen Kampfes der „Narodnaja Wolja“ mit dem Zarismus auch die terroristische Propaganda des „Proletariat“ und seine Hoffnungen auf die unmittelbar bevorstehende soziale Revolution in Mißkredit kamen, in der zweiten Hälfte der 80er Jahre, erfaßte den polnischen Kapitalismus, nachdem er sich an 80- und 100prozentigen Dividenden berauscht, der erste Katzenjammer; er schrumpft für einige Zeit zusammen und wirft eine Masse „überflüssiger“ Arbeiter aufs nackte Pflaster des Elends. Die ausgestoßene Arbeitskraft kam aber wie Banquos Geist zurück – als Gespenst des Klassenkampfes. Wir meinen diesmal nicht die geheime Agitation der Sozialisten, sondern den elementaren in dem hellen Sonnenlicht der Öffentlichkeit entbrannten gewerkschaftlichen Arbeiterkampf. 1885 als das erste Grollen des nahenden Gewitters – die Arbeitslosendemonstration in Warschau, dann eine Reihe unvorbereiteter Streiks in den Jahren 1887 und 1888. Die Sozialisten sind mit der Nase darauf gestoßen worden, daß der Satz „die Emanzipation der Arbeiter muß das Werk der Arbeiterklasse selbst sein“[1] – ein Satz, den sie bloß mit Hinblick auf den Moment der sozialen Revolution im Munde führten – noch eine
[1] „In Erwägung, daß die Emanzipation der Arbeiterklasse durch die Arbeiterklasse selbst erobert werden muß …“ (Karl Marx: Allgemeine Statuten und Verwaltungs-Verordnungen der Internationalen Arbeiterassoziation. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 17, Berlin 1964, S. 440.)