Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 316

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tals, eine starke Erschöpfung des Weltmarktes, eine entsprechende Verschärfung der Konkurrenz, eine Reihe technischer Umwälzungen – alles dies sind Erscheinungen, die ebenso diejenige Auffassung von dem Entwicklungsgang des Kapitalismus, die der modernen Arbeiterbewegung zugrunde liegt, bestätigen wie auch das Ende dieser Entwicklung beschleunigen. Nicht auf die kleinen Dinge der sozialen Flickerei, genannt Sozialreform des gegenwärtigen Staates, soll die Arbeiterklasse ihr ganzes Augenmerk richten. Vor allem soll sie die großen Dinge auf dem Weltmarkt und in der Weltpolitik unablässig beobachten und nicht für einen Augenblick vor dem Kleinlichen, Alltäglichen das Gewaltige, das Kommende vergessen.

V Die Arbeiter der Vereinigten Staaten und die Annexionspolitik

Der „American Federationist“, das Zentralorgan der Gewerkschaften in den Vereinigten Staaten, hat – wie die „Soziale Praxis“ berichtet – in zwei interessanten Artikeln zu der jetzigen Annexionspolitik der Union Stellung genommen. Die nordamerikanischen Arbeiter erklären sich demnach in entschiedenster Weise gegen die Annexion der Philippinen und Hawaii-Inseln. Und zwar nicht, wie man erwarten könnte, aus Rücksichten auf eine eventuelle Konkurrenz der billigen Arbeitskräfte aus den annektierten Ländern und auf die damit verbundene Gefahr der allgemeinen Lohnreduktion. Die Gewerkschaftler der Union lassen sich bei ihrem Protest von viel größeren Gesichtspunkten leiten. Was sie befürchten, ist die verhängnisvolle [Auswirkung der] Annexion von Ländern, in denen zum Teil noch Sklaverei herrscht und wo die Arbeit noch völlig unter der Botmäßigkeit der Ausbeuter und der Staatsgewalt steht, auf die demokratischen Einrichtungen der Union und auf die soziale und politische Stellung der Arbeiterklasse in derselben. Der „Federationist“ weist darauf hin, daß auf Hawaii von den weniger als 100 000 Einwohnern mehr als die Hälfte durch lange, meist 7jährige Arbeitskontrakte tatsächlich zu Sklavenarbeitern gemacht ist, daß hiervon 80 Prozent Chinesen und Japaner und ungefähr 20 Prozent Portugiesen und Südseeinsulaner, daß der Arbeitskontrakt in allen Teilen gesetzlich erzwungen, der Arbeiter von einem Aufseher mit der Peitsche zum Fleiße angetrieben und, falls er die Arbeit verläßt, ins Gefängnis gesteckt wird. Ähnliche Verhältnisse herrschen auch auf den Philippinen, und der „Federationist“ sieht mit Recht voraus, daß mit der Übernahme der Inseln durch die Amerikaner nicht die Ver-

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