Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 605

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-1/seite/605

vereinen zu örtlichen Fachverbänden, von diesen zum nationalen und schließlich zum internationalen Zusammenschluß der Arbeiter.

So wirkt die Gewerkschaft nach allen Seiten hin nivellierend und vereinigend, sie hebt überall das Gemeinsame in den materiellen Interessen der Arbeiter hervor, drängt das Trennende, die von der bürgerlichen Gesellschaft zwischen die Arbeiter und Arbeitergruppen geschobenen Keile zurück und stellt so die materielle Grundlage der Klassensolidarität, des politischen Klassenbewußtseins und des sozialistischen Klassenkampfes her. Wäre nicht in den 80er Jahren eine kräftige Gewerkschaftsbewegung in Deutschland ins Leben getreten, Deutschland hätte nicht im Februar 1890 anderthalb Millionen sozialdemokratischer Stimmen gezählt.

IV

Leipzig, 15. November

Die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung aus den letzten fünfzehn Jahren beweist, daß die Arbeitervereinigungen eine materielle und geistige Wiedergeburt der Arbeiterschaft herbeiführen. Dieselbe Geschichte bringt aber auch den Beweis dafür, daß nur die Arbeitervereinigungen, nur deren Kämpfe imstande sind, die Arbeiterklasse in ihrem wirtschaftlichen und geistigen Verfall unter der Einwirkung des Kapitalismus aufzuhalten und sie emporzuheben. Gerade diese Seite der Frage ist angesichts des bevorstehenden Attentats auf das Koalitionsrecht, gegenüber der Beweisführung der Urheber und Anhänger der Zuchthausvorlage von der größten Wichtigkeit.

Schon der Umstand, daß die Koalitionsbewegung erst dann beginnt, daß die Arbeiter überhaupt erst dann zur Abwehr greifen, wenn sie bereits vom Kapital mit Skorpionen gezüchtigt, wenn sie direkt in den Abgrund des Elends hinabgedrückt worden sind, dürfte die Unentbehrlichkeit und den rein defensiven Charakter des Gewerkschaftskampfes, seinen Charakter als soziale Notwehr der Arbeiterklasse genügend beweisen.

Aber denselben Beweis erbringt jeder bisherige Arbeiterkampf im einzelnen. Die Geschichte der Hamburger Gewerkschaften bietet kein einziges Beispiel eines Lohnkampfes, dem nicht redlichste Bemühungen der Arbeiter voraufgegangen wären, den Konflikt auf friedlichem Wege, durch Verhandlungen beizulegen. Sie, die Ausständigen, sind allezeit die Geduldigen, die nicht eher an die Abwehr denken, als bis der Becher über und über voll ist, sie sind allezeit die Arbeitswilligen, die nicht eher das Werkzeug aus der Hand legen, als bis jedes gute Wort, jeder bescheidene Appell an die

Nächste Seite »