Unser leitendes Zentralorgan
Der „Vorwärts“ antwortet auf unsere Forderung, er solle als Zentralorgan im Sinne der Gesamtpartei bei allen Meinungsverschiedenheiten auftreten[1], daß er „die Pflicht, zu jeder auftauchenden taktischen Frage Stellung zu nehmen, durchaus anerkennt“.
Im Laufe des letzten Jahres sind in unserer Partei drei Hauptfragen aufgetaucht, die zu lebhaften Meinungsdifferenzen Anlaß gegeben haben. Es sind dies:
1. Die Theorien von Bernstein. Die gesamte Parteipresse hat sich damit befaßt, die gesamte gegnerische Presse hat das Thema aufgegriffen, das kleinste Provinzblättchen der Partei hat in dieser oder jener Weise zu dem Bernsteinschen Buch[2] Stellung genommen. Das Zentralorgan und Berliner Parteiblatt „Vorwärts“ hat bis jetzt mit keinem Sterbenswörtchen seine Stellung zu der Frage verraten.
Oder doch? In einem „Eitle Hoffnungen“ überschriebenen Artikel vom 28. März bezeichnet der „Vorwärts“ das ganze Jubelgeschrei der liberalen Presse, Bernstein hätte sich ihrem bürgerlich-reformparteilichen Standpunkt genähert, als ein „unglaublich lächerliches Schauspiel“. Hätten diese „bürgerlichen Biedermänner“, die „diese Doppelkomödie“ aufführten, das Bernsteinsche Buch nur einmal gelesen, „sie würden dann entdeckt haben, daß das Fundament und Endziel [Hervorhebungen – R. L.] der Sozialdemokratischen Partei ... von Bernstein gar nicht angetastet wird“. Letzteres ist bekanntlich gerade das, was Bernstein und seine Anhänger behaupten. Und indem der „Vorwärts“ seinerseits den Widerspruch, in den sich Bernstein zur Partei gesetzt hat, ableugnet, nimmt er hier, wenn auch verstohlen, für die Bernsteinsche Stellung Partei.