Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 330

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die sich auch unsere Leiter der Arbeitsnachweise merken sollten, die ja gleichfalls, wie ihre letzte Konferenz in München beweist, sich mit der süßen Utopie abgeben, den der agrarischen Hölle entsprungenen Landproletarier wieder ins Joch zu spannen. Das Rad der Entwicklung läßt sich eben nicht mehr zurückdrehen. Der heutige Zug der Arbeitskraft vom Lande in die Stadt ist ebenso natürlich in der kapitalistischen Gesellschaft wie die Ansammlung des rettungslosen Massenelends in den Industriestädten, wie auf der anderen Seite auch die Entwicklung des Klassenkampfes in den besseren Schichten der Arbeiterklasse, der dem Kapitalismus mit all seinen Blüten ein Ende bereiten muß.

III Die russische Abrüstung

Wer eine kurze, aber überzeugende Belehrung darüber schöpfen will, wie die Worte der kapitalistischen Regierungen mit ihren Taten übereinstimmen, werfe einen Blick in den soeben veröffentlichten detaillierten Entwurf für den Staatshaushalt des russischen Reichs für das kommende Jahr. Danach betragen die Staatseinnahmen ca. anderthalb Milliarden Rubel, die Ausgaben ebensoviel, und zwar von den 1 571 732 646 Rubel ordentlicher und außerordentlicher Ausgaben entfallen:

auf das Kriegs- und Marineministerium 406 856 710
Ministerium des Verkehrs 397 148 125
Unterrichtsministerium 28 761171

Diese drei Posten des russischen Budgets bieten in ihrem ganzen schlichten Lakonismus ein erschöpfendes Bild der inneren Wirtschaft des Zarenreiches: Rüstungen und Eisenbahnbauten zur Unterstützung ebenso des Kapitalismus wie der Weltpolitik – darin faßt sich die gesamte Tätigkeit des Staates zusammen. Während die Rüstungen allein nicht viel weniger als ein Drittel und zusammen mit den Eisenbahnbauten rund die Hälfte des ganzen Budgets verschlingen, werden für Unterrichtszwecke eines Landes mit mehr als 100 Millionen Einwohnern weniger als 29 Millionen Rubel, d. h. nicht einmal ein Fünfzigstel des Budgets, ausgegeben!

Aber es wäre durchaus irrtümlich, die Ausgaben Rußlands für Rüstungen nur nach dem offiziellen Etatsentwurf einzuschätzen. Im Zarenreiche pflegt man sich nicht zu sehr durch das Budget genieren zu lassen, und so hat die Regierung neulich ganz unabhängig vom Etat 90 Millionen Rubel

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