Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 791

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Bürgerliche Arbeiterschutzkongresse und die Sozialdemokratie

In der neuesten Nummer des „Mouvement Socialiste“ (vom 15. August) bespricht Georges Fauquet den soeben in Paris abgehaltenen internationalen Kongreß für Arbeiterschutzgesetzgebung[1] und macht dabei unserer Partei Vorwürfe, daß sie sich von dieser Zusammenkunft fernhielt: „Die Verhandlungen des Kongresses hätten sicher an Präzision, das Niveau der Debatten an Höhe gewonnen, wenn unsere deutschen Genossen sich nicht (bei ihrem Fernbleiben) durch untergeordnete Gesichtspunkte hätten leiten lassen, die wir nur ahnen, aber nicht begreifen können.“ Aus diesem und dem darauffolgenden Passus erhellt, daß Fauquet sich das passive Verhalten der deutschen Sozialdemokratie gegenüber dem Pariser Arbeiterschutzkongreß hauptsächlich durch den Wunsch unserer Partei erklärt, den internen Streitigkeiten des französischen Sozialismus gegenüber neutral zu bleiben. Es ist dies aber eine völlig irrtümliche Annahme. Unsere Partei kann für ihr Verhalten ganz andere und gewichtigere Gründe anführen, die mehr mit den grundsätzlichen Standpunkten der Sozialdemokratie zusammenhängen. Da Fauquet obendrein mit einer warmen Aufforderung an die sozialistischen Parteien schließt, der von dem Pariser Kongreß geschaffenen Internationalen Assoziation für den gesetzlichen Arbeiterschutz beizutreten, so dürfte es angebracht erscheinen, diese Gründe hier kurz darzulegen.

Der Arbeiterschutz gehört allerdings zu jenen Forderungen der Sozialdemokratie, die vollkommen auf dem Boden der gegenwärtigen Ordnung erfüllt werden können, die ferner an sich die kapitalistischen Verhältnisse nicht im mindesten aufheben, also – abstrakt genommen – auch von der Bourgeoisie, insofern sie ein wenig weitblickend ist, akzeptiert werden

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[1] Am 25. Juli 1900 trat in Paris ein internationaler Kongreß für Arbeiterschutz zusammen.