Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 283

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Schiffe in kurzer Zeit von den Häfen des Atlantischen Ozeans direkt in den Stillen zu schicken, ohne, wie jetzt, auf dem kolossalen Umweg ganz Südamerika umfahren zu müssen. Die enorme politische wie wirtschaftliche Bedeutung dieses neuen Seeweges liegt auf der Hand. Seine Ausführung wird auch, wenn die Yankees einmal an das Werk gegangen sind, voraussichtlich einen glücklicheren Verlauf nehmen als die Konstruktion des Panamakanals, der so viel Geld des französischen Kleinbürgertums und so viel politische Ehre der französischen Bourgeoisie umsonst verschlungen hat. Einstweilen sind die beiden Riesenunternehmungen Kinder ganz platter kommerzieller und kriegerischer Interessen, sie werden aber ihre Schöpferin – die kapitalistische Wirtschaft – überdauern. Sie zeigen auch wiederum, welche kolossalen Produktivkräfte im Schoße unserer Gesellschaft schlummern und welchen Aufschwung der Fortschritt und die Kultur nehmen werden, wenn sie einmal die Fesseln des kapitalistischen Interesses losgeworden sind.

V Wozu die Kolonialpolitik?

Die diesjährigen deutschen und anderen Konsularberichte aus Asien und Amerika zeigen, daß der Anteil Deutschlands an dem Handel in beiden Weltteilen in den letzten Jahren überraschend wächst. So berichtet z. B. der deutsche Konsul in Wladiwostok (russischer Hafen am Stillen Ozean), daß, während noch vor wenigen Jahren kein deutsches Schiff in den dortigen Gewässern gesehen wurde, im Jahre 1897 von den 244 Handelsschiffen, die in den genannten Hafen einliefen, 84 deutsche, während nur 56 russische, 45 japanische, 29 norwegische, 22 englische waren. Die deutschen Schiffe dienen zum regelmäßigen Warenverkehr zwischen den russischen und den japanischen und chinesischen Häfen. Von der gesamten in Wladiwostok ein- und ausgeführten Warenmasse wurden ca. zwei Drittel auf deutschen Schiffen befördert.

In China wird gleichfalls, wie die Bremer „Weser-Zeitung“ vor kurzer Zeit berichtete, von der Firma Rickmers in Bremen zum erstenmal ein regelmäßiger zweiwöchentlicher Handelsverkehr auf deutschen Schiffen zwischen Schanghai und Hankou auf dem Flusse Jangtse organisiert. Die Eröffnung der Rickmers-Jangtse-Linie, wie sie heißen wird, soll im Juni 1899 erfolgen. Der Warenverkehr zwischen den genannten Städten ist ein sehr bedeutender, und die genannte Linie wird im Handel Chinas eine große Rolle spielen.

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