Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 302

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Adam Mickiewicz

Besäße Polen in seiner Literatur niemand als den Dichter, dessen hundertjährigen Geburtstag es am 24. Dezember feiert, es könnte mit vollem Recht einen ehrenvollen Platz neben den ersten Kulturnationen in der Weltliteratur beanspruchen.

Adam Mickiewicz ist nicht nur der größte Dichter Polens und einer der größten der Welt, sondern auch einer, mit dessen Namen die nationale und geistige Geschichte Polens aufs innigste verknüpft ist. Der Name Mickiewicz bedeutet in Polen eine ganze Epoche.

Wenn die Teilung[1] Polen auch in gänzlich neue politische Verhältnisse versetzt hatte, so blieb doch vorerst in den ersten zwei Jahrzehnten unseres Jahrhunderts sein geistiges und kulturelles Leben im wesentlichen eine Fortsetzung der letzten Periode der alten Adelsrepublik. Der Adel bleibt die herrschende Klasse, das Magnatentum der geistige Führer der Gesellschaft, die auf Fronarbeit begründete Landwirtschaft ihre materielle Grundlage. Das geistige und politische Leben konzentriert sich noch nicht in den Städten, sondern auf dem flachen Lande, auf den adeligen Stammsitzen.

Jene Periode war aber für den polnischen Großadel und das Magnatentum in dem russischen Teile eine sehr glückliche. Die meisten alten Institutionen und namentlich in Litauen die Leibeigenschaft waren geblieben, alle öffentlichen Ämter, viele sogar in Rußland, mit Polen besetzt. „Die allgemeine Meinung“, sagt ein Zeitgenosse, K. Koźmian; „lautete: In gewisser Beziehung haben wir es jetzt besser als zu Polens Zeiten, wir haben größtenteils das, was uns das Vaterland gab, sind aber von Lasten und Gefahren der Bauernaufstände frei; ohne Polen sind wir doch in Polen, und wir sind Polen.“

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[1] Im Ergebnis der drei Teilungen Polens von 1772, 1793 und 1795 waren die Westgebiete an Preußen und Galizien samt Krakau an Österreich gegangen, das sogenannte Kongreßpolen bzw. „Königreich Polen“ wurde auf dem Wiener Kongreß von 1815 in Personalunion mit Rußland verbunden. Nach dem niedergeschlagenen polnischen Aufstand von 1863 behandelten die zaristischen Behörden jedoch die annektierten polnischen Gebiete nicht mehr weiter als »Königreich«, sondern als bloße Provinzen, die sie administrativ aufspalteten. Die Bezeichnung „Polen“ wurde verboten und nur noch vom „Weichselland“ gesprochen. Zugleich wurde eine Politik der „Russifizierung“ verfolgt. – Im Ausland galt »Kongreßpolen« weiterhin als Synonym für den russisch besetzten Teil Polens. Rosa Luxemburg und Leo Jogiches hingegen zogen den Begriff vom 1867 aufgelösten »Königreich Polen« vor, der einerseits die Gleichberechtigung Polens gegenüber Rußland betonte, andererseits die Unabhängigkeit von den Signatarmächten des Wiener Kongresses – „Kongreßpolen“ – signalisierte. Dementsprechend nannten sie ihre 1893 gegründete Partei „Sozialdemokratie des Königreiches Polen“ (SDKP). 1900 wurde daraus die „Sozialdemokratie des Königreiches Polen und Litauens“ (SDKPiL).