Grundsätzen verloren hat, wie sehr dieselben Worte aufgehört haben, für die Partei und für Bernstein dasselbe auszudrücken. Tatsächlich führen die eigenen Theorien Bernsteins, wie wir gesehen, zu der elementarsten sozialdemokratischen Erkenntnis, daß ohne die grundsätzliche Basis auch der ganze praktische Kampf wertlos und zwecklos wird, daß mit dem Aufgeben des Endziels auch die Bewegung selbst zugrunde gehen muß.]
3. Die Eroberung der politischen Macht
Die Schicksale der Demokratie sind, wie wir gesehen, an die Schicksale der Arbeiterbewegung gebunden. Aber macht denn die Entwicklung der Demokratie auch im besten Falle eine proletarische Revolution im Sinne der Ergreifung der Staatsgewalt, der Eroberung der politischen Macht überflüssig oder unmöglich?
Bernstein entscheidet diese Frage auf dem Wege einer gründlichen Abwägung der guten und schlechten Seiten der gesetzlichen Reform und der Revolution, und zwar mit einer Behaglichkeit, die an das Abwägen von Zimt und Pfeffer in einem Konsumverein erinnert. In dem gesetzlichen Gang der Entwicklung sieht er die Wirkung des Intellekts, in dem revolutionären die des Gefühls, in der Reformarbeit eine langsame, in der Revolution eine rasche Methode des geschichtlichen Fortschritts, in der Gesetzgebung eine planmäßige, in dem Umsturz eine elementarische Gewalt. (S. 183.)
Es ist nun eine alte Geschichte, daß der kleinbürgerliche Reformer in allen Dingen der Welt eine „gute“ und eine „schlechte“ Seite sieht und daß er von allen Blumenbeeten nascht. Eine ebenso alte Geschichte ist es aber, daß der wirkliche Gang der Dinge sich um kleinbürgerliche Kombinationen sehr wenig kümmert und das sorgfältigst zusammengeschleppte Häuflein „guter Seiten“ von allen möglichen Dingen der Welt mit einem Nasenstüber in die Luft sprengt. Tatsächlich sehen wir in der Geschichte die gesetzliche Reform und die Revolution nach tieferen Gründen als den Vorzügen oder Nachteilen dieses oder jenes Verfahrens funktionieren.
Stets diente nämlich im Laufe der Geschichte die[1] gesetzliche Reform zur allmählichen Erstarkung der aufstrebenden Klasse, bis sie sich reif genug fühlte, die politische Macht zu erobern und das ganze bestehende Rechtssystem umzuwerfen, um ein neues aufzubauen. Bernstein, der gegen die Eroberung der politischen Macht als eine blanquistische Gewalttheorie