Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 583

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-1/seite/583

Ein Ergebnis der Kartellwirtschaft

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Leipzig, 3. November

Nichts beherrscht in dem Maße die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten seit einer Reihe von Jahren wie das Problem der Unternehmerkartelle. Das Wachstum dieser Gebilde des Großkapitalismus in der letzten Zeit ist auch in Amerika so überraschend schnell, daß es kein Wunder ist, wenn das Publikum erschrocken zu Untersuchungen, Kommissionen und allerlei Plänen der Abhilfe greift. Laut Berechnungen soll bereits ein Sechstel, nach anderen Behauptungen sogar ein ganzes Viertel der gesamten gewerblichen Produktion der Vereinigten Staaten unter der Botmäßigkeit der Kartellwirtschaft stehen. Und Kenner der einschlägigen Verhältnisse behaupten, daß in kurzer Frist kein einziger Produktionszweig von ihr verschont bleiben, in dem ganzen gewerblichen Leben Nordamerikas also die Herrschaft des Monopols an Stelle der freien Konkurrenz treten werde.

Dieser Entwicklung der Dinge stehen Gesellschaft und Staat machtlos gegenüber. Die zahlreichen Kommissionen zur Untersuchung der Trusts (Kartelle), die heftigen Polemiken für und wider, der gesetzliche Krieg gegen sie sind bekannt. Ebenso bekannt ist der vollständige Mißerfolg aller dieser Maßnahmen gegen die Unternehmerverbände. Nachdem sie 1890 durch die Gerichte in New York gesetzlich verboten worden waren, haben sie sich formell in „Gesellschaften“ verwandelt und sind in der neuen Form und altem Wesen für die gerichtliche Verfolgung nun unerreichbar.

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[1] Dieser Artikel ist mit einem Anker gezeichnet, dem gleichen Zeichen wie die Artikel „Nur ein Menschenleben“ (siehe GW, Bd. 1/1, S. 467–470), „Die ‚Unverschämten‘ an der Arbeit“ und „Nochmals die ‚Unverschämten‘“ (siehe ebenda, S. 626–628 u. 638–641), als deren Verfasserin eindeutig Rosa Luxemburg durch Briefe an Leo Jogiches festgestellt werden konnte.