Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 601

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sprüche gestellt. „Vor einigen Jahren“, schreibt ein Fachblatt 1890, „war es etwas noch ganz Ungewöhnliches, wenn ein Stoker (Heizer) ohnmächtig aus dem Raume auf das Deck gebracht wurde. Jetzt ist es ein alltägliches Ereignis!“[1]

So stellt sich, wenn man alle Momente zusammenfaßt, die Lage der Arbeiterklasse in Deutschland seit Anfang der 70er bis gegen Ende der 80er, teilweise noch in die 90er Jahre hinein als ein stetes Herabsinken in den Abgrund des wirtschaftlichen [Elends] und, im logischen Zusammenhang damit, auch der geistigen Verwahrlosung dar. Während mit dem Einzug des Großkapitalismus die kapitalistischen Profite mit schwindelnder Rapidität wachsen, sinken ebenso rapid die Einkommen der Arbeiter. Die Zeit, während der sie an die Saugpumpe des Kapitalismus gefesselt sind, wird verlängert, ihre Muße gekürzt, ihre Leistung immer schwerer gemacht, ihr Lebensblut und Hirn immer mehr ausgesogen, sie selbst erbarmungslos in eine tierische Existenz hinabgedrückt.

Aber hier setzt die gewerkschaftliche Bewegung ein. Auf dem Abhang des geistigen und materiellen Verfalls wird der Arbeiter durch die Koalition aufgehalten und mühsam, unter größten Kraftanstrengungen und unzähligen Opfern, unter fortwährenden Hinabrutschungen wieder zum mehr menschenwürdigen Dasein emporgehoben. Zusammen mit der äußersten Verwahrlosung unter der Arbeiterschaft erzeugt die Großindustrie in den 80er Jahren in Hamburg ein allgemeines Erwachen zur Koalitionsbewegung. Sie erzeugt „ein Wachstum der Masse des Elends, des Druckes, der Knechtung, der Degradation, der Ausbeutung, aber auch die Empörung der stets anschwellenden und durch den Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst geschulten, vereinten und organisierten Arbeiterklasse“.

III

Leipzig, 10. November

Das bewußte Eingreifen der Arbeiterkoalitionen in die mit erschreckender Schnelligkeit wachsende Misere des industriellen Proletariats führt allmählich Ende der 80er und in den 90er Jahren eine förmliche Wiedergeburt der Arbeiterschaft herbei.

Als erstes Werk schafft der Gewerkschaftskampf die veralteten Übel, die morschen Überreste der Zunftzeit ab. Hierher gehört vor allem das Kost- und Logiswesen, das aus einem in der patriarchalischen Zeit des

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[1] l. c., s. 401. [Fußnote im Original]