Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 629

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Rezension

[1]

Paul Lafargue: Le Socialisme et la Conquête des Pouvoirs Publics (Der Sozialismus und die Eroberung der politischen Macht), Lille, 32 Seiten.

Das soeben erschienene Schriftchen eines der Veteranen der französischen Sozialdemokratie behandelt jene Frage, die zum Ausgangspunkt der Spaltung unter den Sozialisten in Frankreich wurde, den Eintritt Millerands in das Ministerium Waldeck-Rousseau[2].

Nachdem er die Geschichte und die bisherige Taktik der französischen Arbeiterpartei skizziert hat, stellt Lafargue die Frage, ob die Sozialisten eine ministerielle Partei werden können. In trefflicher Weise formuliert er die Bedeutung des Parlamentarismus für die Arbeiterbewegung. Die Hauptsache ist ihm dabei die Möglichkeit, eine ausgedehnte Agitation zu führen, sowohl bei den Wahlen wie auf der Tribüne des Parlaments, daneben aber auch die Möglichkeit, auf die Politik der Regierung positiv einzuwirken. An der Hand der Legislaturperiode von 1893 zeigt er, daß die sozialistische Partei gar nicht im Ministerium vertreten zu sein braucht, um auf die Regierung einen weitgehenden Einfluß auszuüben. Die Berufung Millerands ins Kabinett Waldeck-Rousseau beweist besser als alles andere, daß die herrschenden Kreise offiziell die Macht des Sozialismus anerkennen und auf seine Unterstützung angewiesen sind. Ebendeshalb können aber die Sozialisten, auch ohne an der Regierung teilzunehmen, die maßgebende Politik in hohem Maße beeinflussen. Andererseits übernehmen die Arbeitervertreter durch die Teilnahme an der Regierung die

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[1] Redaktionelle Überschrift.

[2] Alexandre-Etienne Millerand, der in der französischen sozialistischen Bewegung eine sozialreformerische Richtung vertrat, war vom 22. Juni 1899 bis 28. Mai 1902 im reaktionären bürgerlichen Kabinett Waldeck-Rousseau Handelsminister. Dieser erstmalige Eintritt eines Sozialisten in die Regierung eines bürgerlichen Staates führte in der II. Internationale zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den revolutionären Kräften und Reformisten.