Die englische Brille
I
Leipzig, 9. Mai
Bevor wir einen allgemeinen Rückblick auf die Diskussion über das Bernsteinsche Buch[1] in der Parteipresse werfen, wollen wir noch einige Detailfragen, die dabei besonders hervorgehoben wurden, im einzelnen behandeln. Diesmal wenden wir uns der englischen Gewerkschaftsbewegung zu. Bei den Anhängern Bernsteins spielt das Schlagwort von der „wirtschaftlichen Macht“, der „wirtschaftlichen Organisation“ der Arbeiterklasse eine große Rolle. „Es ist die Aufgabe der Arbeiterklasse, sich wirtschaftliche Macht zu schaffen“, schreibt Dr. Woltmann in der Elberfelder „Freien Presse“, Nr. 93. Desgleichen schließt E. David seine Artikelreihe über das Bernsteinsche Buch mit der Losung: „Emanzipation durch wirtschaftliche Organisation!“ (Mainzer Volkszeitung, Nr. 99.) Die gewerkschaftliche Bewegung, verbunden mit Konsumvereinen, soll nach dieser Auffassung – der Bernsteinschen Theorie gemäß – die kapitalistische Produktionsweise allmählich in die sozialistische verwandeln. Wir haben bereits darauf hingewiesen (s. die Broschüre „Sozialreform oder Revolution?“[2]), daß eine solche Vorstellung auf gänzlicher Verkennung der wirtschaftlichen Natur und der wirtschaftlichen Funktionen ebenso der Gewerkschaften wie der Genossenschaften beruht. Dies läßt sich aber auch in weniger abstrakter Form an einem handgreiflichen Beispiel nachweisen.
Wo immer von der großen Rolle gesprochen wird, die den
Gewerkschaften in der Zukunft der Arbeiterbewegung vorbehalten bleibt, da müssen selbstverständlich sofort auch die englischen Gewerkschaften aufmarschieren, sowohl als Beweis für die „wirtschaftliche Macht“, die man erringen kann, wie als leuchtendes Beispiel, dem die deutsche Arbeiter-