Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 217

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Die Wahlen in Oberschlesien

Leipzig, 2. Juli

Unter den vielen Erfolgen, die uns die Reichstagswahl gebracht hat, muß man auch die Eroberung Oberschlesiens mit zu den wichtigsten zählen. Als in der letzten Zeit diesem dunkelsten Winkel Deutschlands die sozialdemokratische Agitation zugewandt wurde, betrachtete man allgemein in der Partei diesen Versuch erst als ein Experiment. Die Wahlen haben dessen Wert geprüft, und das Ergebnis muß zweifellos ein glänzendes genannt werden. Unser Stimmenzuwachs ist im Vergleich zu der vorhergehenden Reichstagswahl folgender:

1893 1898
Im ganzen Reh.-Bezirk Oppeln 4 728 25 353
Wahlkreis Beuthen-Tarnowitz 258 8 775
Kattowitz-Zabrze 646 9 008
Lublinitz-Gleiwitz 149 2 366
Ratibor 610 1 743

Dieses Ergebnis kann aber erst dann richtig beurteilt werden, wenn man alle begleitenden Umstände in Betracht zieht. Eine systematische, organisierte Agitation in Oberschlesien datiert eigentlich erst seit der Parteikonferenz in Neustadt (Oberschl.)[1], d. h. erst seit einem halben Jahr, und ist hauptsächlich der emsigen Arbeit eines Genossen, des Dr. Winter[2],

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[1] Neujahr 1898 hatte in Neustadt (Prudnik) eine Parteikonferenz der Sozialdemokraten Oberschlesiens stattgefunden, in deren Mittelpunkt die Parteiagitation und die Wahltaktik für die bevorstehenden Reichstagswahlen standen.

[2] August Winter war 1897 nach Oberschlesien gekommen und hatte in Königshütte den Sozialdemokratischen Verein für Oberschlesien gegründet. Er erwarb sich Verdienste bei seiner Tätigkeit im Arbeitersekretariat, in den Gewerkschaften und bei der Agitation zur Vorbereitung der Reichstagswahlen. Mit seiner Forderung nach einer Einheitsfront polnischer und deutscher Arbeiter in Oberschlesien trat er gegen den kleinbürgerlichen Nationalismus der PPS auf.