Zweiter Teil • Die ökonomische Politik Rußlands in Polen
Das im vorhergehenden gegebene Bild der Entwicklung und des heutigen Standes der Industrie in Polen ist ein ganz anderes als das, welches uns die Geschichte des städtischen Gewerbes in dem Polen des Mittelalters bietet. Trotz der ganz identischen Entstehungsweise – der künstlichen, obrigkeitlichen Verpflanzung aus Deutschland – geht die Manufaktur in Polen nicht nur nicht, wie das ehemalige städtische Handwerk, zugrunde, sondern entwickelt sich zu einer Großindustrie, und trotz ihres fremden deutschen Ursprungs faßt sie nicht nur tiefe Wurzeln in dem nationalen Leben Polens, sondern wird geradezu zum herrschenden, tonangebenden Faktor desselben.
Allein in der letzten Zeit traten einige Erscheinungen auf, die auf verschiedenen Seiten Befürchtungen in bezug auf die fernere Zukunft der polnischen Industrie erweckt haben. Es ist klar, daß der Absatz in Rußland und im Anschluß daran der nunmehr eröffnete Absatz in Asien den Lebensnerv der Industrie Polens bilden. Auf allen diesen Gebieten treten aber polnische Erzeugnisse selbstverständlich in Konkurrenz mit den russischen. Ein natürlicher Interessengegensatz in bezug auf die Absatzmärkte scheint sich daraus zwischen der polnischen und der russischen Bourgeoisie auf den ersten Blick zu ergeben, ein Gegensatz, der, je mehr die polnische Industrie wächst, desto schroffer werden muß. Anderseits scheint es ebenso natürlich zu sein, daß die russische Kapitalistenklasse auf ihrer Seite die russische Regierung gegen die polnische Konkurrentin hat, daß die Regierung ihre Macht zur Benachteiligung der polnischen Industrie gebrauchen und als das einfachste und radikalste Mittel dazu etwa eine Zollbarriere zwischen Polen und Rußland wieder errichten dürfte. Solche Stimmen machten sich in der letzten Zeit vielfach hörbar, und es wurde die Meinung