Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 537

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Kautskys Buch wider Bernstein

I

Leipzig, 20. September

Im Dietzschen Verlage ist soeben die – wie Kautsky selbst in der Vorrede ausdrücklich erklärt – letzte Erwiderung seinerseits an Bernstein erschienen, in der Form eines stattlichen Buches von 12 Bogen unter dem Titel „Bernstein und das sozialdemokratische Programm. Eine Antikritik“.

Inhaltlich umfaßt das Buch die Gesamtheit der von Bernstein berührten Fragen, also: 1. die Methode (die materialistische Geschichtsauffassung, die Dialektik, der Wert), 2. alle wichtigeren Fragen in bezug auf die wirtschaftlichen Grundlagen des sozialdemokratischen Programms (die Zusammenbruchstheorie, Großbetrieb und Kleinbetrieb, die Zunahme der Besitzenden, die Aktiengesellschaften, die Verwendung des Mehrwertes, die Verelendungstheorie, der neue Mittelstand, die Krisentheorie, die Formulierung des Programms), 3. die Taktik (Politik und Ökonomie, selbständige oder unselbständige Politik, dürfen wir siegen?).

Wir übergehen im folgenden das erste Hauptstück (über die Methode), da es Ansichten darlegt, die wir schon aus den Kautskyschen Artikeln in der „Neuen Zeit“ kennen, und wenden uns direkt an das aktuellste und praktisch wichtigste zweite Hauptstück: die wirtschaftlichen Grundlagen unseres Programms, wo Kautsky Fragen beleuchtet, die in der bisherigen Diskussion mit Bernstein nur lückenhaft und unvollständig berücksichtigt wurden. Es sind drei Einwände, die Bernstein gegen die Marxsche Theorie der kapitalistischen Produktionsweise zu erheben hat: 1. Die Zahl der Besitzenden nimmt nicht ab, sondern zu. 2. Der Kleinbetrieb geht nicht zurück. 3. Die Wahrscheinlichkeit umfassender und verheerender Krisen wird immer geringer. Kautsky analysiert nacheinander diese drei Fragen, wobei er vor allem die zweite als die grundlegende und entscheidende der Prüfung unterzieht.

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