Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 573

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einging, folgendes gesagt: Schippel sprach über die Miliz, während unser Programm über die Volkswehr spricht – eine Unterscheidung, für die mir jeder Sinn fehlt; doch das ist nebensächlich. Dann sagt er: Zugunsten Schippels läßt sich das sagen, daß der eigentliche Sinn dieses Passus unseres Programms nur besagt, daß wir für die Gegenwart auf eine Verkürzung der Dienstzeit hinarbeiten müssen! Ich will der Milizdebatte der nächsten Tage nicht vorgreifen, sondern führe das nur an zur Charakteristik der Methode. Unser Minimalprogramm hat einen ganz bestimmten Sinn. Da wir wissen, daß der Sozialismus sich ohne weiteres, wie aus der Pistole geschossen, nicht durchführen läßt, sondern nur dadurch, daß wir in einem hartnäckigen Klassenkampfe auf wirtschaftlichem und politischem Boden von der bestehenden Ordnung kleine Reformen erreichen, um uns wirtschaftlich und politisch immer besserzustellen und die Macht zu erhalten, endlich der heutigen Gesellschaft das Genick zu brechen, sind unsere Minimalforderungen nur auf die Gegenwart zugeschnitten. Wir akzeptieren alles, was man uns gibt, aber fordern müssen wir das ganze politische Programm. („Sehr richtig!“) Der Genosse in München aber hat an Stelle des Punktes 3, welcher ausdrücklich die Forderung der Miliz enthält, die Forderung der Verkürzung der Dienstzeit als die praktische Forderung der Partei hingestellt. Wenn wir auf diese Weise einen geringen Teil aus unserem Minimalprogramm zu unserem eigentlichen, wirklichen Minimalprogramm machen, dann wird das, was wir jetzt als Minimalprogramm betrachten, zum Endziel, und unser wirkliches Endziel scheidet gänzlich aus dem Bereich der Wirklichkeit und wird tatsächlich zur „revolutionären Phrase“. (Lebhafter Beifall.)

II Persönliche Bemerkung zur „Freiheit der Kritik in der Partei“

[1]

Vollmar hat mich der Ketzerrichterei bezichtigt auf Grund eines Antrages im dritten Berliner Wahlkreis, durch den ich die Freiheit der Kritik hätte unterdrücken wollen.[2] Es ist nicht den Tatsachen entsprechend, wenn er von einem Antrag spricht, den ich gestellt haben soll. Es handelte sich um eine Heinesche Resolution, die vom Parteitag die Freiheit einer unbeschränkten Kritik forderte. Dazu bemerkte ich folgendes: Wenn Sie unter der Freiheit der Kritik nichts weiter verstehen wollen, als was jeder Mensch

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[1] Redaktionelle Überschrift.

[2] Siehe dazu Rosa Luxemburg: Eine Richtigstellung. In: GW, Bd. 1/1, S. 510 f.