Ein fachmännisches Urteil
[1]Angesichts unserer ufer- und planlosen Flottenpolitik ist es interessant, das Urteil eines Fachmannes über die Zwecke und Grenzen der Flottenvermehrungen zu hören. Im Januarheft der italienischen „Rivista Marittima“ (Marinerevue) beantwortet der Marinekapitän Astuto die Alarmrufe des Flottenpatrioten Roncagli, der in seiner Schrift „Marine, Finanzen und Politik“ eine gewaltige Vergrößerung der italienischen Flotte ganz im Geiste unserer heutigen Wasserschwärmer befürwortete. „Die Aufgabe der Flotte“, sagte dort Roncagli, „wird bestimmt durch die politischen und geographischen Bedingungen des Landes und hängt nicht von den ökonomischen, finanziellen und sozialen Bedingungen ab, die nur insofern in Betracht kommen, als es notwendig ist, um den wahrscheinlichen Höhepunkt der Aufgabe, die man sich stellt, festzustellen.“
Darauf antwortet der Marinekapitän Astuto: „Dieser Höhepunkt ist nicht unabhängig von der Stärke des Budgets, wir sind der Ansicht, daß zwischen der zivilen und der militärischen Funktion eine Staates ein richtiges Verhältnis bestehen muß. Man darf nur ausnahmsweise das Gleichgewicht zerstören, das zwischen den wirtschaftlichen Kräften und den militärischen Ausgaben eines Landes bestehen muß; im allgemeinen muß man, wenn man die militärischen Verhältnisse eines Volkes ins Auge faßt, seinen finanziellen Mitteln Rechnung tragen.“
Ferner schreibt Astuto: „Der Zweck der Flotte soll durch geographische und politische Verhältnisse bedingt werden – das ist sehr unbestimmt. Je nachdem man die Offensive oder die Defensive im Auge hat, ändert sich
[1] Diese Notiz ist nicht gezeichnet. Aus Briefen Rosa Luxemburgs vom 31. Oktober und 1. November 1899 an Leo Jogiches geht hervor, daß sie die Verfasserin ist. (Siehe GB, Bd. 1, S. 393.)