len Debatte zu sagen, scheint uns wenig entschuldigend zu sein. Im Februar druckt er die Artikel von Bernstein ohne die geringste redaktionelle Note in der „Neuen Zeit“ ab, schweigt dann 4 Monate; im Juni eröffnet er die Diskussion mit einigen Komplimenten an die „neuen“ Standpunkte Bernsteins[1], diesen neuen Abklatsch des alten Kathedersozialismus[2], schweigt dann wieder 4 Monate, läßt den Parteitag heranrücken und erklärt endlich im Laufe der Debatte, daß er das „Schlußwort“ sagen wollte. Wir wünschten, daß unser Theoretiker ex officio immer das Wort und nicht das Schlußwort in wichtigen Dingen sagt und daß er nicht den falschen und verwirrenden Eindruck erweckt, als hätte er längere Zeit selbst nicht gewußt, was er sagen sollte. Die napoleonische alte Garde trat stets auf den Kampfplatz zum Schluß des Gefechts, wir sind es gewöhnt, die unsere stets zu Beginn der Schlacht auf dem Platze zu sehen. Daß ihre Zaghaftigkeit auch praktische Nachteile zur Folge hatte, zeigen wir in unserer Betrachtung über einen anderen Punkt der Tagesordnung.
II
Dresden, 12. Oktober
Die Zoll- und Handelspolitik war die einzige Frage, in der die prinzipiellen Ergebnisse der allgemeinen Debatte über die Taktik ihren praktischen Ausdruck erhalten sollten. In der Resolution Kautsky und der Resolution Schippel standen sich tatsächlich zwei grundverschiedene Anschauungen entgegen. Die erstere erstrebte eine prinzipielle Stellungnahme der Sozialdemokratie zu der Zollfrage, die letztere suchte unter Ablehnung der grundsätzlichen Erklärung das Verhalten der Sozialdemokratie in der Zollfrage von der jeweiligen Lage der Industrie abhängig zu machen, d. h., auf den Boden der opportunistischen Taktik zu stellen. Von diesem Standpunkte muß vor allem bemerkt werden, daß die Resolution Kautsky von vornherein nicht in der Weise abgefaßt war, um der wichtigen Aufgabe gerecht zu werden. In der Tat, was für Gründe unserer ablehnenden Haltung gegenüber den Schutzzöllen zählt die Resolution auf? Erstens die Schädlichkeit der Lebensmittelzölle, zweitens die Schädlichkeit des mit dem Schutzzollsystem verbundenen Kartellwesens, drittens die finanzielle Unterstützung des Militarismus durch die Zolleinnahmen, viertens endlich
[1] Eduard Bernstein: Kritisches Zwischenspiel. In: Die Neue Zeit (Stuttgart), 16. Jg. 1897/98, Erster Band, S. 740–751. – G. Plechanow: Bernstein und der Materialismus. In: Ebenda, Zweiter Baud, S. 545–555.
[2] Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstand an deutschen Universitäten eine Richtung in der Sozialpolitik, die versuchte, die Arbeiterschaft durch Reformvorschläge und sozialpolitische Maßnahmen vom Klassenkampf abzuhalten.