Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 530

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Der erste Teil gehört selbstverständlich nicht vor den Parteitag: Es dachte auch kein Mensch in der Partei daran, etwa über die Werttheorie oder die Krisen abzustimmen und zu beschließen. In dem gleichen Maße muß aber der zweite Teil der Bernsteinsehen Ansichten, derjenige, der in der Praxis und in den Äußerungen Vollmars, Schippels, Heines etc. Ausdruck gefunden hat, Gegenstand der Beschlußfassung des Parteitages werden. Über ihre Taktik, über ihr Verhalten zum Staat und zur Bourgeoisie darf und kann und muß die Masse der Partei beschließen. Und wer ihr das Recht dazu abspricht, der will sie zu einer urteilslosen Herde degradieren.

Es werden in unserer Partei von Zeit zu Zeit allerlei aus Beschränktheit oder Unwissenheit herrührende Verstöße unbekannter Genossen aus der Masse scharf gerügt oder auch mit Ausschluß aus der Partei geahndet. Sollte denn die Partei nicht einmal in einer scharfen Stellungnahme über viel gröbere Verstöße hervorragender Genossen ihr Urteil abgeben dürfen, nur weil diese Genossen ihre Ansichten in einer „theoretischen“ Sauce servieren konnten? Hernach müßte es auch von unserer Partei heißen : Die kleinen Diebe henkt man, die großen läßt man laufen.

Die Losung auf dem Parteitag muß also gegenüber den erwähnten Schlagworten sein : Die Freiheit der Kritik in allen Ehren und das Heiligtum der „wissenschaftlichen Untersuchungen“ unangetastet, aber gerade nachdem die „Kritik“ der Bernstein-Gruppe lange und ungestört genug geübt wurde, um ihren inneren Charakter und ihre Tendenzen bloßzulegen, ist es Zeit, daß die Partei als ein politisches Ganzes zu den Ergebnissen dieser Kritik Stellung nimmt und erklärt: Diese Kritik ist eine Theorie der Versumpfung, für die es in unseren Reihen keinen Raum gibt.

V Wo liegt die Gefahr?

Leipzig, 16. September

In den letzten anderthalb Jahren waren Bernstein und seine Theorien der Mittelpunkt der Diskussion innerhalb unserer Partei. Auch auf dem Parteitag in Hannover werden die Debatten zum größten Teil wieder Bernsteins Ausführungen zum Gegenstand haben.

Allein es ist notwendig, daß wir nicht vergessen, wo die eigentliche Gefahr der opportunistischen Richtung für die Partei liegt. Hätten wir nur mit Bernstein, seinen Artikeln und seinem Buch zu tun, so wäre es kaum angebracht, daraus einen besonderen Gegenstand der Verhandlungen auf dem Parteitag der Sozialdemokratie zu machen. Eine literarische Ausein-

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