Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 354

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Verstaatlichung der Profite in sein Gegenteil – in eine große politische Gefahr. Man muß nämlich bedenken, daß, so unerwünscht die Anschwellung des ausbeuterischen Privatkapitals durch staatliche Mittel auch ist, die jetzige Gewinnverteilung doch zur Pulverisierung dieser großen Summen in den einzelnen Kapitalistentaschen und zu ihrer Aufsaugung in dem allgemeinen Pumpmechanismus der Produktion und des Handels führt. Durch die Verstaatlichung dagegen werden die Summen zu einer starken politischen Potenz zusammengepreßt, die sich sehr leicht gegen uns wenden kann. Die Steuererleichterung und die Entlastung der Volksmasse auf diesem Wege würde u. E. eine „Entlastung“ der Volksvertreter von dem Recht der Steuerbewilligung und eine „Erleichterung“ der Reichsregierung in der Auftreibung von Mitteln zu militärischen und sonstigen reaktionären Zwecken bedeuten.

Es bleibt noch die Frage der Privatbanken. Auch hier müssen wir den Betrieb von der Aneignung unterscheiden. Während die Verstaatlichung vom Standpunkte der Aneignung der Gewinne durch obige Gesichtspunkte bereits erledigt ist, erscheint die Verstaatlichung ihres Betriebes als eine fortschrittliche und erwünschte Reform.

Diese Reform vollzieht sich aber erstens durch das allmähliche Aussterben der Privatnotenbanken und zweitens durch das Eingreifen der Reichsbank in ihren Betrieb. Von diesem Standpunkt ist das in der Vorlage enthaltene Verbot an die Privatbanken, unter den Diskontsatz der Reichsbank herabzugehen, als eine partielle Verstaatlichung, ein ökonomischer Fortschritt, weil ein Schritt über den Partikularismus hinaus zur Zentralisierung, Vereinheitlichung und Vergesellschaftung der Wirtschaft, zu betrachten.

II Aus dem Lande der Hungerrevolten und des Anarchismus

Die Mißwirtschaft der italienischen Regierung ist bereits weltbekannt geworden. Die Hungeraufstände[1] und die Deportationen sozialistischer Führer, Bankdiebstähle und anarchistische Verbrechen haben der herrlichen Regierung des Königs Umberto eine verdiente Berühmtheit verschafft. Nun meldet sich aber als unerbittlicher Ankläger der herrschenden Verbrecherbande Italiens ein Mann, dessen Stimme doppelt und dreifach ins Gewicht fällt, eben weil er kein Sozialist, kein „Agitator“, ja nicht einmal ein radikaler Demokrat, sondern ein Bourgeois reinsten Wassers,

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[1] „Daher aber, weil die Befreiung Polens von der Revolution unzertrennlich, weil Pole und Revolutionär identische Worte geworden sind, daher ist den Polen auch die Sympathie von ganz Europa und die Wiederherstellung ihrer Nationalität ebenso sicher wie den Tschechen, Kroaten und Russen der Haß von ganz Europa und der blutigste Revolutionskrieg des ganzen Westens gegen sie.“ (Karl Marx, Friedrich Engels: Der demokratische Panslawismus. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 6, Berlin 1959, S. 283.)