Die „deutsche Wissenschaft“ hinter den Arbeitern
Ein neuer Prophet ist der deutschen Arbeiterklasse erstanden. Der außerordentliche Professor Werner Sombart in Breslau verkündet dem deutschen Proletariat das Evangelium der Hoffnung und des Glaubens.[1] Er lehrt euch, „meine Herren Arbeiter“, ganz wie ein Lassalle, „aus der Vogelschau“ einer neuen „richtigen“, „realistischen“, „historischen“ Methode das Gebiet der Arbeiterfrage erforschen, er versichert euch, daß „die deutsche Wissenschaft“ hinter euch stehe, und bittet euch, „gemeinsam frohen Mutes weiterzustreben und weiterzukämpfen, gemeinsam die Sache sozialen Fortschritts zu vertreten und voranzuschreiten auf der Bahn der Kultur: zum Nutz und Frommen unseres geliebten deutschen Vaterlandes, zum Stolze der Menschheit!“. (S. 95.)
„Weiter“ – „gemeinsam“ – klingt eigentlich etwas seltsam, denn bis jetzt hat die deutsche Arbeiterklasse mit Herrn Sombart ziemlich wenig gemeinsam zu streben und zu kämpfen das Vergnügen gehabt. Sie kämpfte freilich, als Herr Sombart noch in seinen Windeln trockengelegt wurde, zum Nutz und Frommen des deutschen Vaterlandes und zum Stolze der Menschheit, und sie vertritt die Sache des sozialen Fortschritts durch Streben und Kämpfen seit bald einem halben Jahrhundert, während das Streben und Kämpfen des Herrn Sombart etwas jüngeren Datums ist.
Das sind aber schließlich kleine Ungenauigkeiten, die im feurigen Redestrom wohl unterlaufen können. Schenken wir dem neuen Propheten seine rhetorischen Blüten, und hören wir mit Andacht, was die richtige, realistische, historische Methode, was die „deutsche Wissenschaft“ hinter uns über die Aufgaben der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie zu sagen hat.
[1] Werner Sombart: Dennoch! Aus Theorie und Geschichte der gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung. Jena 1900.