Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 799

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polnischen Arbeitern muß gezeigt werden, daß nur im Rahmen des gemeinsamen Wirkens mit der deutschen Sozialdemokratie für sie etwas zu erlangen ist. Der dringende Appell muß an die polnischen Arbeiter gerichtet werden, sich von dem unbegründeten Mißtrauen gegen uns zu befreien. Nicht um eine Schmälerung der Rechte der Polen handelt es sich, sondern um ein vernünftiges, praktisches Zusammenarbeiten. (Beifall.)

IV Persönliche Bemerkung zur Polendebatte

[1]

Undank ist des Menschen Lohn. Seit Jahren habe ich kein Wort mehr über meine nationalistischen Landsleute gesagt, und nun soll ich schuld an allem Bösen sein. Dem deutschen Parteivorstand sind die Tatsachen zum Glück sehr genau bekannt. Ich kann nur bedauern, daß eine solche Debatte hier einsetzen konnte. Ich habe sie nicht provoziert. (Haase: „Doch!“ – Widerspruch.) Ich habe dabei jenes Gefühl des russischen Ministers Murawjow gehabt, dem er, als sein sonst schweigsamer Bruder, der General, unerwartet eine Rede gehalten hatte, folgende Worte lieh: „Bis jetzt wußte ich allein, daß mein armer Bruder kein Genie ist, jetzt weiß es die ganze Welt.“ (Große Heiterkeit.)

V Rede über die Agitation der Partei gegen den Chinakrieg

[2]

Wenn ich mit wenigen Worten auf die Weltpolitik eingehe, so geschieht es nicht, um der Diskussion zu Punkt 7[3] vorzugreifen; ich will nur die praktische Frage streifen, ob die von unserer Partei in bezug auf den Chinakrieg[4] entfaltete Agitation zu der Tragweite des Ereignisses in richtigem Verhältnis stand. Es ist unmöglich, darauf nicht mit Nein zu antworten. Freilich hat unsere Presse und voran der „Vorwärts“ sehr viel getan, um die Abenteuerpolitik der Regierung zu brandmarken. Aber das genügt nicht. Der Schwerpunkt der Agitation dürfte in diesem Falle nicht in der Presse liegen, die nur auf eine kleine Minderheit der Bevölkerung wirkt,

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[1] Redaktionelle Überschrift.

[2] Redaktionelle Überschrift.

[3] Punkt 7 der Tagesordnung behandelte „Die Weltpolitik“.

[4] 1899 war in Nordchina der Volksaufstand der Ihotuan ausgebrochen, der 1900 durch die vereinigten Armeen von acht imperialistischen Staaten unter Führung des deutschen Generals Alfred Graf von Waldersee grausam niedergeworfen wurde. In einem Abschlußprotokoll von 1901 wurde China u. a. gezwungen, etwa 1,4 Milliarden Mark Kontributionen zu zahlen und der Errichtung von Stützpunkten für die Interventionsarmeen zuzustimmen.