I Eine Verstaatlichungsfrage

Die von uns in der vorigen Woche an dieser Stelle besprochene Reichsbankvorlage^[2] befindet sich gegenwärtig in der Kommission, wo einerseits die agrarische Opposition gegen sie, anderseits die Verteidigungsaktion zu ihren Gunsten fortgesetzt wird. Von unserem Standpunkt verlohnt es sich noch, eine Frage zu behandeln, die im Zusammenhang mit der Reichsbankvorlage regelmäßig erhoben wird und die für uns Sozialdemokraten ein besonderes Interesse hat – die Frage der Verstaatlichung der Reichsbank.

Vor allem, wie stehen wir zur Verstaatlichung im allgemeinen? Wir streben bekanntlich zur Vergesellschaftung der sozialen Wirtschaft, und die Verstaatlichung ist unter Umständen eine Etappe zu dieser Umwälzung. „Auf einer gewissen Entwicklungsstufe genügt auch diese Form (Aktiengesellschaften – R. L.) nicht mehr: der offizielle Repräsentant der kapitalistischen Gesellschaft, der Staat, muß ihre Leitung übernehmen“, sagt Engels im „Anti-Dühring“. Er fügt aber gleich hinzu: „Ich sage, muß. Denn nur in dem Falle, daß die Produktions- oder Verkehrsmittel der Leitung durch Aktiengesellschaften wirklich entwachsen sind, daß also die Verstaatlichung ökonomisch unabweisbar geworden, nur in diesem Falle bedeutet sie, auch wenn der heutige Staat sie vollzieht, einen ökonomischen Fortschritt, die Erreichung einer neuen Vorstufe zur Besitzergreifung aller Produktivkräfte durch die Gesellschaft selbst.“^[3]

Die Verstaatlichung also, weit entfernt, eine Prinzipienfrage für uns zu sein, dient unserer Sache nur unter ganz bestimmten Bedingungen, nämlich wenn sie ökonomisch, d. h. vom Standpunkte des wirtschaftlichen Betriebes, notwendig geworden ist.