Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 175

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-1/seite/175

Das Nebeneinanderbestehen so verschiedener Produktionsstufen, wie sie von der polnischen und der St.-Petersburger Industrie einerseits und der Moskauer andererseits vertreten werden, ist auch nur angesichts zweier Umstände möglich: erstens der Größe des russischen Absatzmarktes, auf dem noch alle Konkurrenten genügend Platz finden, und zweitens der durch die Zollpolitik geschaffenen Treibhausatmosphäre, welche diesen enormen Absatzmarkt in das ausschließliche Monopol der inländischen – russischen und polnischen – Unternehmer gebracht hat.

3. Die ökonomischen Beziehungen zwischen Polen und Rußland

Es ist nach dem Vorhergehenden klar, daß – würde nur die freie Konkurrenz im Kampfe zwischen der polnischen und der russischen Industrie entscheiden – die Zukunft der ersteren gesichert wäre, wenigstens insofern überhaupt der kapitalistischen Entwicklung des russischen Reichs von den allgemeinen Schicksalen der Weltwirtschaft eine kürzere oder längere Frist gewährt wird.

Wir haben jedoch schon den andern wichtigen Faktor erwähnt, der für die Zukunft des polnischen Kapitalismus von größter Bedeutung ist – wir meinen die ökonomische Politik der russischen Regierung. Es ist um so nötiger, gerade diesen Faktor hier näher zu beleuchten, als die Frage vor einigen Jahren bekanntlich so viel Staub aufgewirbelt hat und man sogar die Meinung vernehmen konnte, daß seit Mitte der achtziger Jahre eine förmliche „Verfolgungsära“ für die polnische Industrie angebrochen sei.

Eigentlich hätte man Grund genug, alle Behauptungen in diesem Sinne von vorneherein als unbegründet zu betrachten. Der beste und letzte Prüfstein für alle einschlägigen ökonomischen Regierungsmaßnahmen – das Wachstum der Industrie in Polen bis zum letzten Augenblick, und zwar immer noch in demselben reißenden Tempo, beweist – wie es scheinen sollte – zur Genüge, daß aller Lärm um das herannahende Ende derselben falsch war. Das Wachstum stellt sich in der Tat in folgender sprechender Tabelle dar[1]:

Nächste Seite »



[1] J. G. Bloch: Die Fabrikindustrie …, S. 14 f., 86 f., 102, 126 f. u. 150 f. Materialien … für die Jahre 1885–1887, S. X; für das Jahr 1888, S. 126; 1889, S. 158; 1890. S. 134; 1891, S. 146; 1892, S. 164 (die Bände für die folgenden Jahre sind im Buchhandel noch nicht erschienen); Geschichtlich-statistische Rundschau, Bd. I, Tabellen VIII-IX, X-XI u. XIV-XV; Der Bergbau Rußlands, S. 58–60; Der Finanzbote, Nr. 52 vom 5. Januar 1896 u. Nr. 8 vom 7. März 1897. [Fußnote im Original]