Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 541

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gewerbe in direkte Abhängigkeit vom Proletariat zu bringen, wie zugleich oft nur eine Übergangsstufe des Kleinbürgertums selbst in das Proletariat.

Endlich noch ein Zweig der Wirtschaft weist eine sehr starke Verbreitung des Kleinbetriebes auf: das Verkehrsgewerbe. Aber auch hier bietet die Statistik nur ein ganz schiefes Bild der Wirklichkeit: Während gerade die bedeutendsten modernen Verkehrszweige, die Eisenbahnen, Post und Telegraphen, Gemeindeanstalten für Wasserversorgung, Kehrichtabfuhr etc. nicht in der Statistik figurieren, machen sich in ihr Tausende von Dienstmännern, Totengräbern und Droschkenkutschern als ebenso viele „Betriebe“ breit.

Man fasse alle diese Ziffern zusammen und frage sich dann, ob Bernstein ein Recht hat zu behaupten, das von Marx gezeichnete Bild der kapitalistischen Konzentration entspreche nicht der Wirklichkeit. Wenn je eine Theorie eine glänzende Bestätigung fand, so die Marxsche in den Zahlen der deutschen Berufs- und Betriebszählungen. Überall schreitet der Großbetrieb siegreich vor und ruft den Kleinbetrieb auf der anderen Seite nur wieder ins Leben, um ihn unter dem Schein einer selbständigen Existenz in gänzliche Abhängigkeit von sich zu bringen. Was von den „Hunderttausenden von Unternehmungen“ bleibt, die nach Bernstein einer sozialistischen Umwälzung hinderlich in den Weg treten, sind nach näherem Zusehen – Kautsky gelangt hier fast wörtlich zum gleichen Resultat wie Parvus in seiner ersten Artikelserie gegen Bernstein in der „Sächsischen Arbeiter-Zeitung“[1] – Obstfrauen, Näherinnen, Friseure, Totengräber, Dienstleute und Droschkenkutscher!

Soviel über die Konzentration in der Industrie. Nun fragt es sich, ob die Marxsche Theorie nicht in der Landwirtschaft Bankrott erlitten hat.

II

In der Landwirtschaft liegen die Verhältnisse allerdings nicht so klar und einfach wie in der Industrie. Die Hoffnung Marxens aus dem Jahre 1864, „die Vereinigung des gesamten Grundbesitzes in den Händen weniger“ werde die Lösung der Grund-und-Boden-Frage sehr vereinfachen, ist nicht in Erfüllung gegangen. Die Verhältnisse auf dem Lande werden nicht immer einfacher und durchsichtiger, sondern immer verwickelter und

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[1] Diese Serie von 10 Artikeln unter dem Titel „E. Bernsteins Umwälzung des Sozialismus“ erschien vom 28. Januar bis 1. März 1898 in der „Sächsischen Arbeiter-Zeitung“.