Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 589

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Die zweite offizielle Kundgebung zur Flottenfrage

[1]

Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ bringt einen neuen offiziösen Artikel, der nunmehr die in der Presse allgemein so angefeindeten Flottenpläne des ersten Artikels[2] mit „Gründen“ ausstatten soll.

Vor allem ist hier der Schlußsatz wichtig, worin bestätigt wird, daß jener erste Flottenartikel der „Norddeutschen Allgemeinen“ nicht etwa eine harmlose und zwecklose „Betrachtung“ aus dem Stegreife war, wie es die anderen Offiziösen angesichts des Sturmes in der Presse im ersten Augenblicke hinzustellen versuchten.

„Die wilde Agitation“, schreibt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“, „die sich in oppositionellen Blättern an die Rede Sr. Majestät des Kaisers in Hamburg[3] anschloß, ließ es der Regierung ohne Zweifel erforderlich erscheinen, mit dem bekannten Artikel der ‚Norddeutschen Allgemeinen Zeitung‘ an die Öffentlichkeit zu treten, um auf diese Weise das große Problem der Schaffung einer ausreichenden Kriegsflotte der öffentlichen Diskussion zu übergeben und dadurch die Meinungen und Ansichten zu klären.“

Die kaiserliche Rede war also nur ein Pronunziamento, worauf der bereits fertige und wohlverborgene Flottenplan in die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ lanciert wurde; dieser ist seinerseits nur ein Vorläufer

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[1] Diese Notiz ist nicht gezeichnet. In einem Brief vom 6. November 1899 an Leo Jogiches erwähnt Rosa Luxemburg diese von ihr geschriebene Notiz. (Siehe GB, Bd. 1, S. 393.)

[2] In einem offiziösen Artikel der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 28. Oktober 1899 war ein Plan veröffentlicht worden, die deutsche Kriegsflotte durch erhöhtes Tempo des Kriegsschiffsbaues über das im Flottengesetz vom März 1898 festgelegte Maß hinaus zu vergrößern.

[3] Am 18. Oktober 1899 hatte Wilhelm II. beim Stapellauf des Linienschiffes „Kaiser Karl der Große“ in Hamburg den Aufbau einer starken Kriegsflotte gefordert, um die Vormachtstellung Deutschlands verwirklichen zu können.