Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 588

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Übrigens muß die Tatsache das Kruppsche Blatt selbst zugeben, will aber in den vorausgesehenen Profiten aus der Flottenvermehrung nicht etwa ein Motiv seiner Begeisterung für die uferlosen Flottenpläne sehen, sondern bloß ein notwendiges Übel, daß die Krupp, Stumm u. Co. mit patriotischer Selbstentsagung über sich ergehen lassen wollen. „Daß das deutsche Erwerbsleben und nicht an letzter Stelle eine große Anzahl von Arbeitern Vorteil von der Verstärkung der Flotte haben wird, unterliegt keinem Zweifel. Aber dies ist doch sicher kein Bedenken gegen die notwendige Verstärkung der Flotte, vielmehr ein Nutzen, welcher für den Volkswohlstand im ganzen die Opfer teilweise ausgleicht, welche die Verstärkung unserer Flotte erfordert.“ Leben bleiben wie das Sterben für das Vaterland ist süß! Daß man bei dem „Nutzen für den Volkswohlstand“, der sich aus der Flottenvermehrung ergeben würde, es ganz besonders auf die Arbeiterschaft abgesehen hat, beweist ja – die Zuchthausvorlage[1], die ihr jede Lohnbewegung unmöglich machen soll.

Leipziger Volkszeitung,

Nr. 255 vom 3. November 1899.

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[1] Am 20. Juni 1899 hatte die Regierung im Reichstag einen Gesetzentwurf „zum Schutz der gewerblichen Arbeitsverhältnisse“, die sogenannte Zuchthausvorlage, eingebracht, die sich gegen die zunehmende Streikbewegung richtete und die Beseitigung des Koalitions- und Streikrechts der Arbeiter bezweckte. Auf Grund gewaltiger Massenaktionen konnte diese Vorlage am 20. November 1899 im Reichstag gegen die Stimmen der Konservativen zu Fall gebracht werden. Dieser Gesetzentwurf geht auf einen Geheimerlaß vom 11. Dezember 1897 zurück, den der „Vorwärts“ am 15. Januar 1898 veröffentlicht hatte.