Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 282

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-1/seite/282

IV Wasserkonstruktionen in Nordamerika

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika nehmen zwei neue riesige Wasserkonstruktionen in Angriff, die für die ökonomische Entwicklung ebenso dieses Landes wie auch der europäischen Staaten von größter Tragweite sind. Das erste dieser Unternehmen ist die Erweiterung der Wasserstraße Erie-Huron, die das System der großen drei Seen Superior, Michigan, Huron mit den zwei kleineren Erie und Ontario und weiter durch den St.-Lorenz-Strom mit dem Atlantischen Ozean verbindet. Schon jetzt kann dieser Wasserweg als ein mustergültiger betrachtet werden; er wird von Dampfschiffen mit einer Last bis 250 Tonnen und einer Geschwindigkeit von 70 bis 100 km in 24 Stunden befahren. Jetzt soll aber der Weg in einer Weise erweitert und umgebaut werden, daß auf ihm ozeanische Dampfer, und zwar bis nach Chikago fahren können. Zu diesem Zweck wird ein Kanal gebaut, dessen Tiefe 10 Meter und die Breite ca. 100 Meter beträgt und dessen Herstellungskosten sich auf ca. 400 Millionen M belaufen. Die Hauptschwierigkeit dieser neuen Konstruktion besteht darin, daß der Wasserweg an verschiedenen Stellen verschiedene Höhe der Wasserfläche aufweist, so erreicht z. B. der Unterschied zwischen der Lage der Seen Erie und Ontario 100 Meter. Dieser Umstand macht die Errichtung von Schleusen mit Aufzugkammern nötig. Es wird deren 5 geben, in jeder wird der ozeanische Dampfer durch eine Aufzugmaschine mit komprimierter Luft hinaufgezogen. Die neue Konstruktion wird von ungeheurer Bedeutung namentlich für den Getreidehandel sein. Da nun das Getreide von Chikago – dem Hauptzentrum des Kornhandels – ohne Umladung direkt in den Ozean und bis nach Europa verschifft wird, so werden die Frachtspesen sehr vermindert und die Konkurrenz des amerikanischen Getreides in Europa außerordentlich erleichtert, was seinerseits auf die Lage der Landwirtschaft in Westeuropa ebenso wie in Rußland von weitgehendem Einfluß sein wird.

Die andere Wasserkonstruktion, die in den Vereinigten Staaten geplant wird, ist die Vereinigung des Stillen und des Atlantischen Ozeans durch einen Kanal, der durch den Nikaragua-See gehen wird. Die Landenge ist hier bedeutend breiter als bei Panama, aber der See in der Mitte wird die Konstruktion erleichtern. Der Kanal soll 169,4 englische Meilen lang sein und mit 6 riesigen Schleusen versehen werden. Die Kosten werden sich auf 280 Millionen bis 1 Milliarde Mark belaufen. Mit der Errichtung dieses Kanals wären die Vereinigten Staaten in der Lage, ihre

Nächste Seite »