Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 472

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schaft nachstreben muß. Wenn es aber in der Geschichte der Arbeiterbewegung einen Abschnitt gibt, der geeignet wäre, den Glauben an die sozialisierende Wirkung und den allgemeinen Aufschwung der Gewerkschaften in der Zukunft gründlich zu zerstören, so ist es die Geschichte des englischen Trade-Unionismus.

Bernstein hat seine Theorie auf englischen Verhältnissen aufgebaut, er sieht die Welt durch die „englische Brille“, dies ist in der Partei bereits zum Schlagwort geworden. Will man damit nur soviel ausdrücken, daß Bernsteins theoretische Wandlung auf sein Leben im Exil und seine persönlichen Eindrücke von England zurückzuführen ist, so mag diese persönlich-psychologische Erklärung sehr richtig sein, sie ist aber für die Partei und für die Diskussion von geringem Interesse. Will man aber mit der „englischen Brille“ sagen, daß die Bernsteinsche Theorie für England passe, für England ihre Richtigkeit habe, so ist das falsch und widerspricht sowohl der vergangenen Geschichte wie dem heutigen Stande der Arbeiterbewegung in England.

Worin bestehen denn die so oft hervorgehobenen Besonderheiten des englischen sozialen Lebens, und wodurch lassen sie sich erklären? Gewöhnlich wird gesagt: Englands Besonderheit liege darin, daß es ein kapitalistischer Staat ohne Militarismus, ohne Bürokratie, ohne Bauernstand sei, dabei sein Kapital zum größten Teil zur Ausbeutung in anderen Ländern beschäftige, dies alles ermögliche ebenso die politische Freiheit, in der sich die Arbeiterbewegung entfaltet habe, wie auch die ihr günstige Richtung der öffentlichen Meinung.

Wäre dies richtig, so müßte sich die Arbeiterbewegung Englands seit ihrem Entstehen, also seit Beginn des Jahrhunderts, derselben politischen Freiheit und der Gunst der öffentlichen Meinung erfreuen wie heute, denn alle erwähnten Besonderheiten des englischen gesellschaftlichen Lebens datieren schon seit mehr als einem Jahrhundert. Allein die Geschichte des Trade-Unionismus zeigt uns das direkte Gegenteil.

Die ganze erste Periode dieser Bewegung, vom Anfang des Jahrhunderts bis in die vierziger Jahre, stellt nämlich einen ebenso erbitterten Kampf der Arbeiterkoalitionen um das Existenzrecht dar, wie ihn das Proletariat des Festlands geführt hat und zum Teil noch führt. Das „Land der sozialen Reform“ verweigerte den Arbeitern jahrzehntelang das geringste Gesetz zu ihren Gunsten. Im „Lande des sozialen Friedens“ nahmen die Arbeiter in ihrem Existenzkampfe zu den äußersten Gewaltmitteln, Demonstrationen, tumultuarischen Streiks, Mordtaten, Zuflucht, worauf die Regierung mit all den probaten Mitteln antwortete, die bis heute

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