Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 630

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Verantwortlichkeit für alle ihre Mißgriffe, Schwächen und Halbheiten. „Der sozialistische Minister ist, wer es auch sei, für den Sozialismus ein verlorener Mann.“

Die sozialen Reformen Millerands, die in den Arbeiterkreisen so enthusiastisch aufgenommen werden, sind, wie Lafargue feststellt, nichts anderes als die Realisierung des alten Programms der radikalen Partei, die selbst bereits politisch tot und unfähig ist, ihre eigenen Aufgaben zu erfüllen. Die ganze sozialreformerische Strömung in der französischen Arbeiterbewegung führt Lafargue auf halbsozialistische bürgerliche Elemente zurück, die eigentlich viel besser in einer radikalen Reformpartei Platz finden würden und nur in Ermangelung einer solchen sich an die proletarische Klassenbewegung herandrängen. Frei von den Fesseln einer Organisation oder eines bindenden Programms, machen sich diese „Unabhängigen“, jeder nach seinem Gutdünken, einen „Sozialismus“ zurecht, der mit dem Sozialismus der organisierten Arbeiterschaft oft nur die Sprache gemein hat. Besonders habe der Eintritt Jaurès´ in die Bewegung einen ganzen Schwarm solcher unabhängigen Halbsozialisten herbeigelockt. Diesen gegenüber ruft Lafargue die organisierten sozialistischen Gruppen Frankreichs zu einer geschlossenen und energischen Abwehr auf.

Der Unwille der Leiter von alten Parteiorganisationen gegen das freie Schalten und Walten der „Unabhängigen“ ist sehr leicht begreiflich, auch paßt das von Lafargue entworfene Porträt dieser Gattung von Sozialisten auf gar manchen unter ihnen vortrefflich. Nur scheint uns doch das direkte Entgegenstellen von „Sozialisten“ und „Unabhängigen“, wie sie unser Freund Lafargue macht, wenig praktisch – gerade in Frankreich. Im allgemeinen ist die Parteizugehörigkeit für die Qualifikation des einzelnen Sozialisten von entscheidender Bedeutung. In Frankreich aber, wo seit jeher an Stelle einer geeinten Partei mehrere einander befehdende Fraktionen bestehen, büßt die Organisation von ihrer Tragweite vieles ein. Angesichts so unerfreulicher Verhältnisse unter den Organisationen kann auch ein sehr aufrichtiger und geschulter Sozialist und warmer Anhänger der Disziplin vor dem Eintritt in einen Parteiverband Bedenken haben. Die mächtige Persönlichkeit von Jaurès legt davon Zeugnis genug ab, und der von ihm und seiner Gruppe der „Unabhängigen“ in der letzten Zeit gegen den Militarismus geführte großartige Feldzug beweist des weiteren, daß man, wenn es an einer geeinigten Parteiorganisation mangelt, gezwungen sein kann, außerhalb jeder Organisation den proletarischen Klassenkampf zu führen – so gut oder so schlecht es eben gehen mag. Ja die zahlreich in der Gefolgschaft von Jaurès vertretenen Mitglieder der drei Parteiorgani-

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