Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 600

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Vielfach wurde die Sonntagsarbeit in dem Maße geradezu zur Norm gemacht, so z. B. bei den Schuhmachern, daß die Arbeiterforderungen nicht weiter gingen, als die Sonntagsarbeit bloß auf dringende Fälle zu beschränken. Die Ewerführerbaase lehnten 1888 den Anspruch der Ewerführer auf eine Vergütung für das Durcharbeiten während der Mittagspause mit der folgenden Begründung ab: „Die Forderung sei prinzipiell nie zu bewilligen, weil darin das Anerkenntnis des Rechts auf eine bestimmte Mittagspause liegen würde.“[1] Die Überstunden wurden in den 80er Jahren zur Regel fast ausnahmslos in allen Gewerben. Eine 12-, 13-, 14-, ja 15stündige Arbeitszeit gehörte zu den Alltagserscheinungen.

Noch ein Umstand, gleichfalls ein Ergebnis der durch die großkapitalistische Entwicklung hervorgerufenen sozialen Verschiebungen, trägt in der letzten Zeit dazu bei, wenn nicht die eigentliche Arbeitszeit zu verlängern, so doch die Ruhezeit des Arbeiters zu verkürzen. Es ist dies das in allen großen Industriezentren bemerkbare Verdrängen der Arbeiterwohnungen in die Vorstädte, wodurch der Weg zur und von der Arbeit manchmal stundenlang dauert.

Endlich zur Lohnkürzung und Verlängerung der Arbeitszeit kommt auch noch die fortschreitende Intensivierung der Arbeit hinzu. In manchen Gewerbszweigen wird dies einfach durch Vergrößerung der geleisteten Arbeitsmasse erzielt. So wurden z. B. bei den Ewerführern die zu befördernden Schuten in den 80er Jahren von 500-600 Zentner, die sie vorher faßten, auf 800, 1 000 und 2 000 Zentner Waren vergrößert, und während früher zwei Mann die Beförderung zu besorgen hatten, mußte es nunmehr ein einziger.[2]

Desgleichen werden z. B. bei den Maurern, die pro 1 000 vermauerte Steine entlohnt werden, immer größere und größere Steine eingeführt.[3] – Eine allgemeine Intensivierung der Tätigkeit in allen Arbeitszweigen ergibt sich von selbst durch die allgemeine Verbreitung der Akkordarbeit. Dasselbe Ergebnis wird bei der Maschinenarbeit durch die fortwährende Steigerung der Leistungsfähigkeit und des Arbeitstempos der Maschine herbeigeführt. Ein frappantes Beispiel hierfür bietet die Lage der Schiffsheizer. Die Schiffsbaumeister richten den ganzen Scharfsinn darauf, um die Hitze in den Dampfkesseln zu erzeugen und festzuhalten, die Anspannung der Maschinen eines Ozeandampfers wird immer mehr gesteigert. Damit werden aber auch an die Leistungsfähigkeit der Heizer immer größere An-

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[1] l. c., S. 195. [Fußnote im Original]

[2] l. c., S. 192. [Fußnote im Original]

[3] l. c., S. 101. [Fußnote im Original]