Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 599

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-1/seite/599

es die Konfektion schon um die Mitte der 80er Jahre auf 2,40 M resp.0,60 M herab![1]

Die Löhne der Schuhmacher sind seit den 70er Jahren so gesunken, daß sie 1886 um 4-5 Prozent unter dem Tarif von 1874 standen und 1890 bei 12-14stündiger Arbeitszeit nur 12-17 Mark pro Woche betrugen![2] Bei den Tabakarbeitern sind die Löhne seit den 70er Jahren zwar nominell etwas gestiegen, aber nicht entfernt im Verhältnis zu dem riesenhaften Anschwellen der Wohnungs- und Lebensmittelpreise.[3]

Wie bei den eben genannten zehn Gewerken ist es auch im Durchschnitt in allen anderen der Fall: Seit der Entwicklung der Großindustrie in Deutschland, das heißt seit Beginn der 70er Jahre, sind die Löhne bis Ende der 80er Jahre stark und absolut, nicht nur relativ gesunken. Seit Ende der 80er Jahre sind sie zum Teil wieder gehoben worden, aber nicht entfernt im Verhältnis zu der allgemeinen Steigerung der Lebensmittelpreise, zum Teil sind sie sogar auf demselben niedrigen Niveau geblieben.

Daß die Lohnreduktionen, im umgekehrten Verhältnis zu den allgemeinen Preissteigerungen, gerade eine Erscheinung der letzten Zeit, der vorgeschritteneren Periode des deutschen Kapitalismus und nicht etwa seiner Anfänge sind, beweist auch die folgende Zusammenstellung. Von den 56 bekannten Arbeitskonflikten, die sich in Hamburg in der vierzehnjährigen Periode 1865-1878 abgespielt haben, wurden durch Lohnkürzungen 3, das heißt etwa ein Achtzehntel aller Fälle, hervorgerufen. Hingegen waren in der sechsjährigen Periode 1885-1890 von der Gesamtzahl von 112 (mitgerechnet die 22 durch die Maifeier 1890 hervorgerufenen) Konflikten nicht weniger als 24, das heißt mehr als ein Fünftel – und rechnet man die Maikonflikte des Jahres 1890 ab, mehr als ein Viertel – aller Arbeitseinstellungen durch Lohnreduktionen hervorgerufen!

Allein, mit steigenden Lebensmittelpreisen und sinkenden Löhnen ist der wirtschaftliche Niedergang der Arbeiterschaft unter der Einwirkung der großindustriellen Entwicklung noch keineswegs erschöpft. Es tritt noch vor allem auch eine Verlängerung der Arbeitszeit hinzu. Diese wird auf dreierlei Wegen durchgeführt: durch die Sonntagsarbeit, durch Überstunden und durch eine Durchbrechung, manchmal gänzliche Mißachtung der Ruhepausen. Der Kampfruf gegen die Sonntagsarbeit und um die Einhaltung von Ruhepausen wird um die Mitte und gegen Ende der 80er Jahre einstimmig von der gesamten Arbeiterschaft erhoben.

Nächste Seite »



[1] l. c., S. 364. [Fußnote im Original]

[2] l. c., S. 377 u. 381. [Fußnote im Original]

[3] l. c., S. 415. [Fußnote im Original]