Nun, die „deutsche Wissenschaft“, die gegen Marx und Engels Gift und Galle spritzte, gegen die Sozialdemokratie das Sozialistengesetz unterstützte, später die Arbeiterschaft für den Wassermilitarismus und die Weltpolitik einfangen wollte und sich dafür mit Orden dekorieren ließ und zuletzt durch plumpe Demagogie das organisierte Proletariat von der Sozialdemokratie loszureißen versucht, diese „deutsche Wissenschaft“, Herr Professor Sombart, der Sie die Sozialdemokratie „zivilisieren“ wollen, steht nicht hinter der deutschen Arbeiterklasse, sie steht – hinter den deutschen Seebataillonen, die in diesem Augenblick in China landen^[1], um die zivilisatorische Mission der Hunnen zu erfüllen.

Und steht sie „hinter“ der Arbeiterklasse, so höchstens in dem Sinne, daß die deutsche Arbeiterklasse dieser ordengeschmückten, Apportdienste leistenden, aufgeblasenen, wandlungsfähigen „deutschen Wissenschaft“ allerdings heute wie seit jeher mit gebührender Verachtung – den Rücken zuwendet.

In der Schrift des Herrn Sombart, die Genossin Luxemburg bespricht, hebt der Außerordentliche hervor, daß ich ein vor mehreren Monaten von mir im „Vorwärts“ gegebenes Versprechen, seine gewerkschaftlichen Treibereien zu beleuchten, bisher nicht eingelöst habe. Darin hat er recht. Dringende Parteiarbeiten, die mir unerwartet zufielen, und eine längere Abwesenheit von Berlin machten es mir vorläufig unmöglich, und als ich nach meiner Rückkehr darangehen wollte, teilte mir Kautsky mit, daß sich die Genossin Luxemburg inzwischen des Außerordentlichen erbarmt habe. Die Genossin Luxemburg war so liebenswürdig, mir einen Einblick in ihr Manuskript zu gestatten, und da ich darin alles, was ich auf dem Herzen hatte, ungleich besser gesagt fand, als ich es hätte sagen können, so richte ich hiermit das ehrerbietige Gesuch an den Außerordentlichen, ihre Kritik zugleich als eine Einlösung meines Versprechens zu betrachten. Die feinen Schmeicheleien, womit er mich in dem Nachtrag zu seinen Feuilletons über den Sozialismus beehrt, nur weil ich ihn vor vier Jahren in höflich-schonender Form davor gewarnt habe, ein Schäffle Nr. 2 zu werden, will ich ihm schenken, nachdem er wirklich Schäffle Nr. 2 geworden ist, der den ihn von diesem Vorläufer unterscheidenden Mangel an Gelehrsamkeit durch einen diesem Vorläufer fremden Gassenjungenton auszugleichen bemüht ist.

Steglitz-Berlin, 10. September 1900 F. Mehring

Die Neue Zeit (Stuttgart),

18. Jg. 1899/1900, Zweiter Band,

I: S. 740-747,

II u. III: S. 773-782.