Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 606

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Gerechtigkeit, an die Einsicht der Brotherren sich als eine Stimme in der Wüste erwiesen hat. Und es ist allezeit der Geldprotz, der durch brüske Abweisung der Verhandlungen, durch einen „patriarchalischen“ Fußtritt die Arbeiterschaft mit Gewalt zum Kampfe treibt, ihr den Ausstand als einziges Verhandlungsmittel mit dem deutschen Unternehmer aufzwingt.

Als die in himmelschreiender Verwahrlosung verkümmernden Bäckergesellen 1886 ihre bescheidenen, wahrlich zu bescheidenen Forderungen (12stündige Arbeitszeit, Sonntagsarbeit 8 Stunden, jedem Gesellen sein eigenes Bett, einen bescheidenen Lohnaufschlag, bürgerliches Essen!) stellten, da brach unter den Meistern ein Sturm der Entrüstung los. „Man sollte“, erklärten sie, „anstatt zuzulegen, noch abziehen. Eine unerhörte Frechheit liege in allen Forderungen. Auf jeden Fall müsse den Gesellen gezeigt werden, daß sich die Meister keine Vorschriften machen lassen, sondern daß sie vorläufig noch zu befehlen haben ...“[1]

Die Gärtner ließen Ende 1889 einen neuen Lohntarif und andere Forderungen für das Frühjahr 1890 den Unternehmern mit folgender Erklärung zugehen: „Um Sie nicht durch eine plötzlich gestellte Forderung zu benachteiligen, sondern Ihnen soviel wie möglich entgegenzukommen, erlaubt sich die in der öffentlichen Versammlung gewählte Kommission, Ihnen dies (die künftigen Forderungen) heute schon bekanntzugeben, um Ihnen Zeit und Gelegenheit zu verschaffen, Ihre Geschäftsverbindungen usw. den zu stellenden Forderungen entsprechend gestalten zu können.“[2]

Mit diesem bis zur Gutmütigkeit rücksichtsvollen Angehen wurden die Gehilfen rundweg abgewiesen, und als sie im März 1890 ihre Forderungen tatsächlich stellten, da bekamen sie von den Prinzipalen von Unflätigkeiten und Roheiten strotzende Antworten; einige redeten vom „beim Reichsgericht verklagen“, andere drohten mit der Peitsche usw.![3]

Im Jahre 1887 richten die Kaiarbeiter (staatliche Arbeiter) an ihre Vorgesetzten eine Petition, die mit den Worten beginnt: „Wir, die gehorsamst (!) unterzeichneten Kaiarbeiter, erlauben uns ganz gehorsamst (!), der Hochwohllöblichen Deputation für Handel und Schiffahrt nachstehende Petition zur gefälligen weiteren Veranlassung gehorsamst (!) zu unterbreiten.“

Diese dreimal „gehorsamste“ Petition der vom Staate angestellten Parias wurde in der Weise beantwortet, daß der Überbringer derselben auf

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[1] l. c., S. 150. [Fußnote im Original]

[2] l. c., S. 180. [Fußnote im Original]

[3] l. c., S. 182. [Fußnote im Original]