Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 607

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der Stelle entlassen wurde mit der Bemerkung, „er sei ein Aufwiegler“.[1]

Im Jahre 1888 richteten die Gerber ein höfliches Schreiben an die Unternehmer mit der Bitte um Einführung der zehnstündigen Arbeitszeit. Die Unternehmer antworteten mit Verlängerung der Arbeitszeit auf 11 Stunden, und zwar dort, wo bisher 10 und 101/2 Stunden gearbeitet wurde![2]

Im Jahre 1886 erklärten die Innungsmeister auf die Forderungen der Schmiede, sie wären wohl geneigt zu bewilligen, „hielten es aber unter ihrer Würde, mit den Gesellen zu verhandeln“![3]

Solcher Beispiele bietet jede Seite der Geschichte der Gewerkschaften die Hülle und Fülle. Jeder Streik ist ein den Arbeitern aufgezwungener, in allen Fällen sind die Unternehmer diejenigen, die zur Machtprobe treiben und die Arbeitseinstellung zum einzigen Mittel des Arbeiters machen, sein Los zu verbessern.

Es wäre indes ganz falsch, wollte man annehmen, daß dieses Verhalten des Unternehmertums nur eine Erscheinung der Anfangsstadien der Gewerkschaftsbewegung ist, daß es mit der Zeit einer fortschrittlicheren, klügeren Auffassung Platz räumt, die das weitere Vorgehen der Arbeiterkoalitionen überflüssig macht. Ganz im Gegenteil; bis auf den heutigen Tag sind die deutschen Unternehmer dieselben klassischen Vertreter der protzigen Brutalität geblieben, auf die nur eines wirkt: der Faustschlag der Arbeiterkoalition. Dafür bieten die regelmäßigen Zurückziehungen nach einem jeden Kampf der soeben erzwungenen Konzessionen genügenden Beleg. Um eine und dieselbe Forderung müssen die deutschen Arbeiter nicht einmal, nein viermal, zehnmal, wieder und wieder in den Streik treten. Nur zwei aus der Fülle aufs Geratewohl herausgegriffene Beispiele mögen Zeugnis ablegen. Im Jahre 1872 erkämpfen sich die Tischler in Hamburg durch 10wöchigen Streik den 91/2stündigen Arbeitstag. In den 80er Jahren wird ihnen die Errungenschaft wieder entrissen. 1887 (März bis Mai) kämpfen sie zum zweitenmal um dieselbe Forderung, wieder mit Erfolg. Juli bis August desselben Jahres sehen wir sie zum drittenmal die alten, bereits wieder zurückgezogenen Forderungen durchsetzen, endlich 1888 suchen sie zum viertenmal die ihnen mittlerweile entrissenen Konzessionen zu behaupten![4]

Noch auffallender ist das Bild der Lohnkämpfe bei den Seeleuten Ham-

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[1] l. c., S. 199. [Fußnote im Original]

[2] l. c., S. 257. [Fußnote im Original]

[3] l. c., S. 356. [Fußnote im Original]

[4] l. c., S. 78, 224–251. [Fußnote im Original]